»Mama im Galopp«: Wenn Mama zum Pferd wird
Wäre es für eine berufstätige, alleinerziehende Mutter nicht praktisch, sie hätte vier statt nur zwei Beine? – Rennpferde können im Galopp Geschwindigkeiten von rund 70 Stundenkilometern erreichen; der achtfache Olympiasieger Usain Bolt kam 2009 in Berlin bei seinem Weltrekordlauf über 100 Meter hingegen auf eine Spitzengeschwindigkeit von »nur« 44,72 Kilometern pro Stunde. Um den täglichen Wahnsinn mit zwei kleinen Kindern zu bewältigen, müsste man eigentlich ein Pferd sein, findet die Hauptfigur in Jimena Tellos Bilderbuch – und verwandelt sich kurzerhand in eines.
»Mama im Galopp« lebt von den doppelseitigen Illustrationen, auf denen die Mutter – nun deutlich weniger gestresst – mit wehender Mähne und ihren beiden Kindern auf dem Rücken galoppiert: zum Bus, zur Schule, zur Arbeit, zum Sport und zum Geigenunterricht. »Auf einmal war alles einfacher!«, stellt ihre Tochter fest. Sie ist die Ich-Erzählerin der Geschichte für Kinder ab drei Jahren, die mit nur wenigen Sätzen auskommt. »Lauf, Pferdchen, lauf!!! Flieg wie der Wind.« Beinahe gewöhnt sich die Familie an die neue Situation. »Es war sogar lustig!«
Weder Umarmung noch Küsse
Doch dann muss die Familie feststellen, dass der »neue Zustand« auch Probleme mit sich bringt. Die vierbeinige Mutter frisst das Schulheft, anstatt bei den Hausaufgaben zu helfen, zerbricht alles Küchengeschirr, passt nicht ins Kino und verliert im Supermarkt Pferdeäpfel. Das Allerschlimmste: Als Pferd kann sie ihre Kinder nicht mehr umarmen und küssen. Über Nacht verwandelt sich zurück in einen Menschen und beschließt, sich fortan langsam durchs Leben zu bewegen. Was allerdings dazu führt, dass die nächste Verwandlung – in eine Schildkröte – nicht lange auf sich warten lässt.
Mit Witz und Leichtigkeit nimmt die aus Argentinien stammende Autorin und Illustratorin die Absurditäten des Alltags aufs Korn und lädt Kinder und ihre gestressten Eltern zum Nachdenken ein: Muss es eigentlich immer im Galopp durchs Leben gehen – oder darf es auch mal Schildkrötentempo sein? Wäre es nicht wichtiger, mehr Zeit füreinander zu haben, statt ständig Terminen hinterherzujagen? Die Botschaft dieser erfrischenden Lektüre lautet: Es tut gut, auch mal einen Gang herunterzuschalten.
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