»Mathematische Rätsel, Knobelaufgaben und Spiele«: Kreativität, Kalkül und Knobelkunst
Woher nur nimmt dieser Autor seine Kreativität, sein Arbeitsethos, seine Motivation? Nach seinen zahlreichen, praktisch im Jahrestakt erschienenen Büchern – zuletzt etwa Kunterbunte Mathematik, Verkannt, verfemt, vergessen und Geschichten aus der Mathematik – legt Heinz Klaus Strick nun »Mathematische Rätsel, Knobelaufgaben und Spiele« vor. Dabei handelt es sich keineswegs um ein »Best of« seiner bereits veröffentlichten Bücher. Vielmehr speist sich auch dieser Band aus dem mathematischen Monatskalender, für den Strick seit über 20 Jahren regelmäßig Aufgaben formuliert. Und auch dieses Mal ist wieder ein echtes Schwergewicht entstanden. Dabei machen die detaillierten und teils reich bebilderten Lösungen der »101 Herausforderungen aus Arithmetik, Geometrie und Stochastik«, so der Untertitel, mit rund 320 Seiten den mit Abstand größten Teil des 440 Seiten starken Werks aus.
Das Buch verleitet dazu, direkt hineinzuspringen. Zum Beispiel Aufgabe 5: Der Neujahrstag fällt häufiger auf einen Sonntag als auf einen Samstag – wie kann man zeigen, dass das stimmt? Oder Aufgabe 44: Um die Eckpunkte eines beliebigen Dreiecks können immer Kreise gezeichnet werden, die sich gegenseitig berühren – wie berechnen sich deren Radien aus den Seitenlängen des Dreiecks? Oder auch Aufgabe 49: Wie viele »Beinahe-Pythagoras-Figuren« – so nennt Strick Figuren, bei denen der größte Dreieckswinkel um höchstens ein Grad vom rechten Winkel abweicht – gibt es bei einer vorgegebenen Maximallänge der Hypotenuse? Man findet auch Altersrätsel (Aufgabe 25), magische Quadrate (Aufgabe 28) oder geschachtelte Wurzeln (Aufgabe 52).
Erste Erkenntnis: Harmlos klingende Probleme können überaus anspruchsvolle Lösungen haben. Bei ihrer Darstellung bemüht sich der Autor um größtmögliche Klarheit. Und die Lösungen sind glücklicherweise nicht direkt nach den jeweiligen Aufgaben, sondern erst im zweiten Teil des Buchs zu finden. So wird man nicht sofort dazu verleitet, in die Lösungen zu schauen, ohne selbst nachgedacht zu haben. Dabei gibt Strick nicht nur die Resultate an, sondern erläutert auch ausführlich die Wege, auf denen man zu diesen gelangen kann, so dass ein Nach- oder Mitvollzug überhaupt erst möglich wird. So ist auch völlig schlüssig, dass etwa die auf eine Seite passende Aufgabe 86 eine 15-seitige Lösung bekommt. Die allermeisten Lösungswege sind allerdings deutlich kürzer. Und nicht selten ist man erstaunt über das kluge und speditive Vorgehen, etwa wenn im ersten Schritt zunächst grundlegende Überlegungen zur Anzahl der zu untersuchenden Fälle angestellt werden. Zweite Erkenntnis: Kluge Vorüberlegungen reduzieren den späteren Rechenaufwand beträchtlich.
Das Buch ist gegliedert nach den Anforderungsniveaus der Aufgaben. Im ersten Teil finden sich 18 Aufgaben für fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler der Grundschule und Unterstufe. Die 19 Aufgaben des zweiten Teils erfordern Mittelstufenkenntnisse, für die 36 Aufgaben des dritten Teils sind Oberstufenkenntnisse notwendig. Im vierten Teil sind 28 Aufgaben versammelt, die zum Teil über die Anforderungen der Sekundarstufe II hinausgehen und an denen, so heißt es im Klappentext des Buchs, »selbst erfahrene Mathematiker zu knobeln haben.«
Das Buch ist für mathematisch interessierte Leserinnen und Leser eine wahre Fundgrube an Denksportaufgaben, aber insbesondere für Lehrpersonen ergeben sich breite Einsatzmöglichkeiten. In erster Linie ist es wohl in der Begabtenförderung am richtigen Ort, aber man findet auch viele Anregungen für die letzten Stunden vor den Ferien oder sogar für einen differenzierenden »Normalunterricht«.
Denn wenn man etwas genauer sucht, findet man Probleme nicht nur aus den drei im Untertitel genannten Großbereichen, sondern auch solche, bei denen Wissen aus der Trigonometrie (Aufgaben 57 und 86), über Funktionsgleichungen von Parabeln (Aufgabe 80) oder zur Summenformel einer arithmetischen (Aufgabe 39) und geometrischen Reihe (Aufgabe 87) benötigt wird. Gewiss: Bei einem solchen Fundus an kreativen Aufgaben und Problemen kann die eine oder andere Einkleidung etwas überzogen wirken, etwa wenn eine gefräßige Ziege so an ein Seil angebunden werden soll, dass sie jeden Tag nur einen bestimmten Teil der zur Verfügung stehenden Fläche beweiden kann (Aufgabe 56). Das Problem selbst verlangt vor allem Kreisberechnungen und hätte durchaus Bestandteil eines der Bücher zur (wunderwunder-)schönen Mathematik sein können. Es funktioniert allerdings rein geometrisch formuliert genau gleich, also ohne die Existenz einer mathematisch-weidenden Ziege. Starke Schülerinnen und Schüler werden den Humor in Aufgaben wie dieser verstehen, für schwächere dürften sich dabei aber möglicherweise zusätzlich Verständnisschwierigkeiten auftun.
Letzte Erkenntnis: Heinz Klaus Strick legt wieder ein überaus gelungenes, ansprechend gestaltetes und auf den verstehenden Mitvollzug ausgerichtetes Buch vor. In ihm finden nicht nur Mathematiklehrkräfte, sondern auch andere Personen mit Interesse für spannende Knobelaufgaben, Rätsel und Spiele zahlreiche Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit mathematischen Problemen in ansprechenden Kontexten.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben