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Abgesang auf den Homo oeconomicus

Nobelpreisträger Richard Thaler erzählt, warum wir nicht alle rationale Egoisten sind.

Es begann mit einer Liste. Darauf standen menschliche Verhaltensweisen, die sich Richard Thaler aus rein wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive nicht erklären konnte. Und es endete damit, dass Thaler im Jahr 2017 für seine Arbeiten, die zur Gründung der Verhaltensökonomik beitrugen, den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt. In diesem Buch erzählt er seine Geschichte.

Als der Forscher in den 1970er Jahren seine Karriere startet, geht die gültige Wirtschaftstheorie davon aus, dass Menschen sich immer für die beste aller Möglichkeiten entscheiden, aus der sie den größten Nutzen ziehen. Dieser »Homo oeconomicus«, wie ihn die Verhaltensökonomen später nennen werden, handelt rein rational und lässt sich nicht von vermeintlich irrelevanten Faktoren beeinflussen. Thaler zweifelt. Menschen scheinen sich nicht zwangsläufig optimal zu entscheiden, und sie verhalten sich mitunter erheblich anders, als es wirtschaftswissenschaftliche Modelle vorhersagen.

Der junge Wissenschaftler macht sich daran, die Entscheidungen seiner Mitmenschen mit empirischen Methoden zu ergründen – und stößt auf eine Reihe von Verzerrungen, denen sie unterliegen. So widmet er sich zum Beispiel den Fragen, warum Schnäppchen so verführerisch sind und weshalb man teure Schuhe selbst dann noch trägt, wenn die Füße schmerzen.

Hartnäckigkeit und Glück

In dem Buch schafft Thaler es, seine Forschung verständlich und zugleich unterhaltsam zu vermitteln. In acht sowohl chronologisch als auch thematisch gegliederten Kapiteln lässt er uns mit vielen Beispielen und Anekdoten an seiner beruflichen Laufbahn teilhaben. Dabei wird deutlich, worauf es ankommt, wenn man neue Wege beschreitet: Natürlich sind kreative Ideen und Lösungsansätze gefragt, aber ebenso braucht es immer ein Quäntchen Glück, um zur richtigen Zeit auf die richtigen Leute und Möglichkeiten zu treffen. Zudem darf ein gesundes Maß an Hartnäckigkeit nicht fehlen, um all die Kämpfe mit vorherrschenden Ideologien auszufechten. Der Autor plaudert auch hier aus dem Nähkästchen: »Wir haben nicht viel von ihm erwartet«, soll sein Doktorvater einst über ihn gesagt haben. Eine Fehleinschätzung. Denn Thaler hat gemeinsam mit anderen Forschern eine ganze Fachdisziplin aufgerüttelt und dazu beigetragen, dass die psychologischen Grundlagen wirtschaftlichen Handelns nicht länger ignoriert werden.

Das Werk dreht sich vor allem um des Autors eigenes Lebenswerk und ist folglich überwiegend aus subjektiver Sicht geschrieben. Fachliche Konzepte vermittelt Thaler nur in Grundzügen, breitet aber nicht ihre theoretischen Grundlagen aus. Deshalb ist der englische Untertitel des Buchs (»The Making of Behavioral Economics«) treffender als der deutsche (»Was uns die Verhaltensökonomik über unsere Entscheidungen verrät«). Wer sich für die Entwicklung, das Who's who und die Grundlagen dieses Forschungsgebiets interessiert, wird voll und ganz auf seine Kosten kommen und nebenbei einiges über die Gründe der eigenen Ent­scheidungen und die der Mitmenschen erfahren. Und für wen sich die Lektüre des Buchs mit seinen über 500 Seiten dann doch zu sehr zieht, der kann immer noch Thalers Rat befolgen: »Hören Sie auf, wenn es keinen Spaß mehr macht. Alles andere wäre ungezogen.«

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