»Mit Pflanzen die Welt retten«: Die grüne Hoffnung
Es wäre doch so schön, mit Pflanzen die Welt retten zu können; eine grüne Lösung im Kampf gegen den Klimawandel zu finden, ohne unsere Lebensweise in großem Stil ändern zu müssen – doch wie realistisch ist diese Vorstellung?
Bernhard Kegel zeichnet einleitend ein dramatisches, aber nicht hoffnungsloses Bild der Probleme, vor denen wir durch den Klimawandel stehen. Anschließend stellt er verschiedene Bereiche vor, in denen Pflanzen als Klimaschützer wirken: in Wäldern, Mooren, Meeren und in Form der künstlichen Photosynthese. Für alle diese Bereiche wird beim Lesen aber schnell klar: So einfach ist das nicht mit der Weltrettung durch Pflanzen – ganz im Gegenteil, es ist komplex.
Etwa in Bezug auf Wälder. Auch wenn Aufforstung selbst von der Forschung zeitweise schon fast als Wunderwaffe gegen den Klimawandel gehandelt wurde, ist ihre Wirkung für den Klimaschutz nicht so eindeutig positiv, wie man glauben möchte. Denn es kommt sehr darauf an, was und wo gepflanzt wird. Aufforstung im großen Stil benötigt viel Fläche – und zwar die richtige –, außerdem eine große Menge Saatgut und viel Zeit. Unklar ist auch, wie viel CO2 der Atmosphäre durch Wälder tatsächlich entzogen wird und wie sich die Wirkung einer Aufforstung in Bezug auf die Temperatur auf der Erde mit dem durch sie reduzierten Albedo-Effekt verrechnet. Denn die Erdoberfläche reflektiert weniger Sonnenstrahlung, wenn etwa eine helle Savanne durch Bäume »ersetzt« wird, sodass es zu einer Erwärmung kommen kann.
Zu erhalten ist meist sinnvoller als neu zu pflanzen
Den von sogenannten Klimaleugnern gern angeführten CO2-Düngungseffekt – »CO2 ist doch gut für das Pflanzenwachstum!« – gibt es zwar tatsächlich. Er ist aber nicht beliebig skalierbar und zudem begrenzt durch die Knappheit anderer Ressourcen wie Wasser oder Nährstoffe. Manchmal verschärfen Baumpflanzungen sogar den Wassermangel in einer Region.
Insgesamt gilt: Bäume zu pflanzen ist nicht das Gleiche wie funktionierende Wälder zu schaffen, denn letztere setzen ein intaktes Ökosystem voraus. Daher ist es sinnvoller, bestehende Ökosysteme zu erhalten und besser zu schützen, etwa Mangrovenwälder, Seegraswiesen und natürlich den Regenwald – »Klimaschutz beginnt beim Naturschutz«.
Man merkt dem Buch an, dass Bernhard Kegel ein erfahrener Autor ist. Er hat Chemie und Biologie studiert und in der Agrarökologie promoviert, arbeitet aber bereits seit vielen Jahren hauptberuflich als Schriftsteller und hat mehr als 50 Bücher verfasst. So gelingt es ihm leicht, das Wissen verschiedener Expertinnen und Experten zu bündeln und allgemeinverständlich zusammenzufassen, um einen großen Überblick über die einschlägigen Forschungsrichtungen und technologischen Entwicklungen zu geben. Er macht seinen eigenen »Nicht-Experten-Status« transparent und wird so zu einem hervorragenden Vermittler zwischen Leserinnen und Lesern auf der einen und Expertinnen und Experten auf der anderen Seite.
Neben den natürlichen Lebensräumen von Pflanzen in Wäldern, Mooren und Ozeanen widmet sich das Buch auch der künstlichen Photosynthese – dem Traum, dass wir wie Pflanzen Energie aus dem Sonnenlicht gewinnen und gleichzeitig der Atmosphäre CO2 entziehen können. Die dafür notwendige Technologie ist anspruchsvoll und existiert bisher nur in kleinem Maßstab, etwa in Form künstlicher Blätter. Was die Energiegewinnung angeht, ist die deutlich weiter entwickelte Photovoltaik bereits heute viel effektiver als die Photosynthese echter Pflanzen. Trotzdem wäre künstliche Photosynthese potenziell interessant, um CO2-neutrale Treibstoffe zu erzeugen und damit die Bereiche mit Energie zu versorgen, in denen eine Elektrifizierung nicht sinnvoll möglich ist.
Das für den NDR-Sachbuchpreis 2024 nominierte Buch findet die richtige Balance zwischen motivierender Zuversicht und manchmal harten Realitätschecks. Bis auf einige wenige Passagen, die sich den Details der Photosynthese widmen, ist es durchweg gut lesbar und versammelt viele interessante Erkenntnisse aus der aktuellen Forschung.
Wie bei diesem seriös argumentierenden Sachbuch zu erwarten, fällt sein Fazit in Bezug auf das, was Pflanzen leisten können, weniger aufregend aus als sein Titel. Trotzdem endet Bernhard Kegel mit dem eindringlichen Appell, sich mit diesem Thema weiter auseinanderzusetzen: »Pflanzen allein werden die Welt nicht für uns retten, aber ohne sie, ohne unsere wichtigsten natürlichen Helfer, schaffen wir es bestimmt nicht.«
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