»Mit Physik auf der Suche nach dem Sinn des Lebens«: Der Sinn der Sinnsuche
Haben Sie eine Antwort auf die Frage, warum Sie leben? Warum das Universum neben Galaxien und Schwarzen Löchern – für einen aus astronomischer Sicht winzigen Augenblick – auch Ihr Dasein ermöglicht hat? Worin der Sinn Ihres Lebens im Kosmos liegt? Essenzielle Fragen, die in der Regel jeder für sich selbst beantworten dürfte.
Autor Tim Vollert wagt eine allgemeinere Antwort, wenn er erklärt: So lange Ihre Partikel zusammenhalten, so lange Sie atmen und denken, ist es Ihre Pflicht, die Zukunft unserer Spezies mitzulenken. Es musste zu viel passieren, damit wir Menschen hier sein können, als dass wir jetzt Zeit verschwenden dürften. Das perfekte Design. Stern für Stern, Sandkorn für Sandkorn, Atom für Atom. Die Naturkräfte perfekt kalibriert – alles, damit unsere Existenz möglich wurde.
Wie es dazu gekommen ist, erläutert Vollert in den ersten beiden Dritteln seines Buchs. Hier geht es fast ausschließlich um die Geschichte des Kosmos, die Grundlagen der Physik und die Entstehung der Menschheit. Das liest sich zwar flüssig und informativ, ist aber wahrlich nicht die erste Abhandlung zu diesen Themen. Je länger man den Ausführungen über die Geburt der Sterne, unser Sonnensystem, die Quantenmechanik und schließlich den Kältetod unseres Universums folgt, desto öfter erinnert man sich ungeduldig an den Titel und fragt sich, wann der Autor denn nun endlich diesem gerecht zu werden gedenkt: Wie führt all das zur Sinnfindung mit Hilfe der Physik?
Sinnsuche als instinktives Bedürfnis
Das erklärt Vollert erst auf den letzten Seiten seines Buchs: Wenn wir über den Sinn des Lebens reden, sollten wir uns nicht nur auf den Menschen beziehen, sondern an alle Lebensformen denken. Einverstanden, das ist ein erster naturwissenschaftlich-konstruktiver Ansatz. Nicht gerade sehr befriedigend für das Individuum, aber immerhin eine Option. Doch dann wird es erstaunlicherweise philosophisch. Albert Camus kommt ins Spiel. Der meinte mehr oder weniger, dass das Leben sinnlos sei. Danach kommt Immanuel Kant zu Wort: Der glaubte, dass alles, was passiert, eine Ursache haben müsse. Ähnlich wie Kant denkt auch der Autor. Er glaubt, unsere Existenz müsse ein Sinn haben, weil wir nach ihm suchen. Denn warum sollte ich als Mensch dazu veranlagt sein, einen Sinn finden zu wollen, wenn er gar nicht existiert? Was sonst wollen wir geradezu instinktiv, das es nicht gibt?
Dieser interessante Gedankengang kommt leider erst kurz vor Ende des Buchs ins Spiel. Er regt in der Tat zum Nachdenken an. Schließlich motiviert Vollert seine Leserinnen und Leser: Gehen Sie davon aus, dass es einen Sinn gibt. Denn wenn es ihn nicht gäbe, wäre ohnehin alles egal; auch, dass Sie mit Ihrer Annahme eines Sinns falsch liegen. So kommt Vollert bei der Frage nach dem Sinn des Lebens doch nicht ohne Philosophie aus.
Zum Schluss bietet der Autor uns dann noch drei Sinntheorien an. Die letzte hat ihren eigenen, leicht morbiden Charme. In ihr geht es darum, dass man selbst nach dem Tod physikalisch gesehen keineswegs verschwindet, sondern wieder der Natur einverleibt wird. Unsere Einzelteile – ein erheblicher Anteil davon Süßwasser – gehörten vielleicht schon einmal zum Körper eines Dinosauriers. Ganz vergehen wird die Summe unserer Teilchen also nie, im großen Ganzen leistet jeder seinen bescheidenen Beitrag zum Kreislauf der Natur. Ob darin allerdings eine befriedige Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Daseins liegt, sei dahingestellt.
Tim Vollerts Buch bietet vor allem – und etwas überraschend – einen kompakten Einblick in die Physik unseres Universums. Das im Titel annoncierte Thema wird leider nicht so prominent behandelt. Dennoch sind Vollerts Gedankengänge zur Sinnsuche mit Hilfe der Physik am Ende des Buchs sehr lesenswert. Man hätte sich hier eine ausführlichere und facettenreichere Argumentation gewünscht.
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