»Müll«: Müll – eine Herausforderung
Die gute Nachricht zuerst: Früher war es mit dem Müll viel schlimmer. Also freuen wir uns, heute zu leben. Dies entnimmt man dem Buch des Historikers Roman Köster, Privatdozent an der Universität der Bundeswehr München, der das Müllproblem von Beginn an detailliert darstellt. Schwerpunkte sind dabei das Industriezeitalter und der Massenkonsum.
Köster schildert vor allem die Zustände in der vormodernen Stadt und auf dem Land. Unsere Vorfahren, die Nomaden, hatten noch kein Müllproblem. Es entstand mit der Sesshaftwerdung, also vor circa 10000 Jahren: Wohin mit dem menschlichen Kot und auch dem der Haustiere? Auf die Straße, in den Straßengraben oder in die Sickergrube? Aber dann wird man den Gestank auch nicht los …
Und was macht man, wenn die Sickergrube voll ist? Dumme Frage: Jemand muss sie ausleeren und ihren »Inhalt« wegtragen. Aber wer macht das? Menschen, die sich damit auch noch heute ihren Lebensunterhalt verdienen. Doch zurück in die damalige Zeit: Einst brachten Bauern ihren Karren mit Gemüse auf den Markt und nahmen auf dem Rückweg die Exkremente mit. Doch was machten sie damit? Sie verteilten sie auf ihren Äckern oder Gärten als Dung – auch wenn sich tierischer Kot dazu besser geeignet hätte, da er stickstoffhaltiger ist.
Für Essensabfälle hielt man sich in der Stadt Schweine, die dann draußen herumliefen – manchmal beherbergte man sie sogar im vierten Stock. Den Rest erledigten Ratten, Fliegen und Kakerlaken, was sich in der Vormoderne zu einer Plage auswachsen konnte – was an manchen Ecken der Welt leider auch heute noch der Fall ist. Schon vor Jahrhunderten erkannte man, dass Müll eine Quelle von Krankheiten sein kann.
Recycling gab es immer schon
Recycelt wurde immer schon, heute gibt es dafür einen weltweiten Markt. Kompliziert ist der Umgang mit dem Müll geblieben. Ob sich Recycling lohnt, hängt heute von der konjunkturellen Lage ab. Sammler gab es schon immer; in manchen Ländern sind es heute leider sehr viele, die von dem leben, was sie auf den Müllkippen finden oder veräußern können. Generell ist das Recyceln von Elektroschrott allerdings technisch sehr aufwendig und verbraucht sehr viel Energie – ein Kosten- und Umweltfaktor. Müllvermeidung ist selbstverständlich ökologischer, lässt sich aber noch nicht flächendeckend realisieren.
Seit den 1960er Jahren setzt man auf Müllverbrennung – eine komplexe und teure Angelegenheit, aber angesichts der größer werdenden Müllberge unserer Wegwerfgesellschaft ist man auf sie angewiesen; auch wenn sich diese »Lösung« für das Müllproblem schon zu Beginn der 1980er Jahre als hochgefährlich entpuppte, so dass man immer bessere Filter entwickelte. Trotzdem ist ein Problem bis heute geblieben: Noch immer weiß man nicht genau, welche gefährlichen Partikel – abgesehen von den Tausenden bekannten – noch im Rauch enthalten sind.
Und auch wenn sich der »Umgang« mit Deponien technisch verbessert hat, so ist Recycling oft entweder gar nicht möglich oder nur für eine sehr kurze Zeit – nämlich dann, wenn die Müllkipper in der Anlage ankommen. Übrigens haben nicht nur diese eine Entwicklungsgeschichte, auch die Mülltonne hat sie: Um 1900 herum musste sie von Arbeitern häufig aus den Kellern geholt werden – eine Knochenarbeit. Denn die Tonnen waren robust und damit schwer, weil sie die Asche der Öfen aufnehmen mussten.
An manchen Orten der Welt funktioniert die Müllabfuhr gut, an anderen schlecht und an wieder anderen gar nicht. Ohne Müllsammler geht es dann oftmals nicht. Manchmal ist es Behördenversagen, oder Betroffene kooperieren nicht. Oder die Stadt hat kein Geld. Manchmal funktioniert aber sogar eine private Müllfirma – häufig verdient dann die Mafia mit. Der Sozialismus ging beziehungsweise geht mit dem Müllproblem nicht besser um als der Kapitalismus, wobei letzterer den Müll dann aber gern in arme Länder »exportiert«.
Das Abwasserproblem hat man mittlerweile durch Kläranlagen weitgehend gelöst, in vielen Flüssen Europas kann man längst wieder baden. Aber die Verschmutzung der Meere hat man noch lange nicht im Griff. Es gibt also noch viel zu tun. Müll ist nach wie vor ein hochkomplexes Problem, das immer wieder neuer Ideen bedarf. Apokalyptisch ist es nicht, wie dieses sehr lesenswerte Buch eindrücklich vermittelt.
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