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»Multimessenger Astronomie«: Auf jeder Wellenlänge – Botschaften aus dem All

John Etienne Beckman erschließt das Trendthema »Multimessenger-Astronomie« umfassend, gründlich und verständlich. Und seine Begeisterung wirkt ansteckend.

Spätestens seit August 2017 ist das Schlagwort »Multimessenger-Astronomie« in der Astrophysik in aller Munde. Damals wurde die Verschmelzung zweier Neutronensterne sowohl mit Gravitationswellendetektoren als auch quer durch das elektromagnetische Spektrum beobachtet. Dass die Nutzung des gesamten elektromagnetischen Spektrums und auch weiterer »Boten« aus dem All schon damals kein wissenschaftliches Neuland mehr war, sollte ob des jüngsten Booms dieses Forschungsgebiets nicht in Vergessenheit geraten. Auch dafür sorgt die nun erschienene deutsche Ausgabe des Buchs von John Etienne Beckman, das die Vielfalt und die Geschichte des Gebiets in vorbildlicher Weise würdigt.

Beckman ist emeritierter Forschungsprofessor am Instituto de Astrofísica de Canarias und verfügt mit seiner breiten Erfahrung in der beobachtenden Astronomie über einen hervorragenden Hintergrund, um das Thema umfassend darzustellen. Er räumt eingangs bescheiden ein, dass ein breiter Überblick über die Multimessenger-Astronomie unweigerlich von persönlichen Interessen geprägt sei. Tatsächlich hat er aber für sein Buch außergewöhnlich breit recherchiert und sich insbesondere zur Gammastrahlen- und UV-Astronomie sowie zur Rolle von Meteoriten als Boten aus dem All zusätzliche Expertise eingeholt. Freilich weiß er auch spannende Episoden aus seinem eigenen Forscherleben zu erzählen – wie über seine Infrarotbeobachtungen an Bord der Concorde im Jahre 1973, wo er eine 74-minütige (!) totale Sonnenfinsternis verfolgen konnte. Aber Beckman treibt spürbar vor allem eines an: eine tiefe und ansteckende Neugier an der modernen Astrophysik in ihrer ganzen Breite.

So gelingt dem Autor eine sehr systematische Darstellung der Multimessenger-Astronomie. Das Buch gliedert sich in Kapitel über die verschiedenen Wellenlängenbereiche elektromagnetischer Strahlung und die anderen uns zugänglichen Boten aus dem All: Neutrinos, Gravitationswellen, kosmische Strahlen und Meteoriten. Eine Ausnahme bildet das zehnte Kapitel, das sich der Kosmologie und Teilchenphysik widmet. Hier erläutert Beckman die verschiedenen Stützen des kosmologischen Standardmodells – von den beobachteten Häufigkeiten der leichten Elemente bis zum Mikrowellenhintergrund – und geht auch auf Experimente zum direkten Nachweis Dunkler Materie ein. Die Ordnung nach Wellenlängenbereichen und Instrumenten bedingt, dass das Buch häufig zwischen verschiedenen astrophysikalischen Objekten und Phänomenen hin und her springt. Das mag für manchen Leser etwas ungewohnt sein, aber dieses Strukturprinzip ist für das Thema Multimessenger-Astronomie die natürliche Wahl; man sollte sich also auf sie einlassen.

Die Eroberung immer neuer Wellenlängen

Die Reise durch die Wellenlängenbereiche der elektromagnetischen Strahlung und darüber hinaus folgt im Wesentlichen der historischen Entwicklung astronomischer Instrumente. Sie beginnt mit der optischen Astronomie sowie der Geschichte der Teleskope und gelangt bis zu den im Bau befindlichen beziehungsweise geplanten Giganten wie dem »Extremely Large Telescope« der ESO und dem »Thirty Meter Telescope« auf Hawaii. In den folgenden Kapiteln zeichnet der Autor nach, wie sich die beobachtende Astronomie schrittweise weitere Wellenlängenbereiche erobert hat, beginnend mit dem Radiowellenbereich über die Infrarot-, UV-, Röntgen- und Gammastrahlenastronomie bis hin zum Schritt über das elektromagnetische Spektrum hinaus.

In den einzelnen Kapiteln stürzt sich Beckman nicht gleich auf die astronomischen Beobachtungen, sondern erklärt zunächst verständlich die Funktionsweise der jeweiligen Instrumente. Bei der Beschreibung der Beobachtungen geht er sehr gründlich auf die zu Grunde liegenden physikalischen Prozesse ein, die durch die verschiedenen »Boten« wahrnehmbar werden. Naturgemäß erwartet der Leser bei diesem Thema beeindruckende astronomische Aufnahmen und gut gewählte Illustrationen – und er wird nicht enttäuscht. Einige kleinere Ungenauigkeiten – die Sternradien auf der Hauptreihe stimmen im Hertzsprung-Russell-Diagramm nicht so recht – sind dabei leicht zu verschmerzen. Die Fülle des Materials und Beckmans Leidenschaft für sein Thema machen sie allemal wett.

Bei der Übersetzung des Texts ist der Verlag neue Wege gegangen und hat auf eine maschinelle Übersetzung mit anschließender inhaltlicher Überarbeitung gesetzt. Dass die künstliche Intelligenz noch ihre Eigenheiten in Wortwahl und Stil hat, scheint zwar immer wieder einmal durch, etwa wenn sie noch versäumt, »Abundanzen der Elemente« zu »Elementhäufigkeiten« einzudeutschen. Aber insgesamt ist die Übersetzung mehr als passabel, und kleine Unebenheiten wird man vielleicht in zukünftigen Ausgaben glätten können.

Beckmans Buch richtet sich an ein breites, populärwissenschaftlich interessiertes Publikum. Ganz voraussetzungslos ist es freilich nicht; Beckman geht durchaus in die Tiefe. Aber informierte Astronomiebegeisterte werden an dem Buch ihre Freude haben. Auch wer sich in Studium oder Promotionszeit etwas über die klassischen Themen der Astrophysik hinaus orientieren will, findet hier eine lohnende Lektüre.

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