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»Nahrung fürs Leben«: Was wir über Ernährung wirklich wissen

Welche Lebensmittel sind wirklich gesund? Und für wen? Tim Spector bietet einen Überblick über aktuelle Ergebnisse der Ernährungswissenschaft. Die gelegentliche Anpreisung des eigenen Unternehmens stört ein wenig, mindert aber nicht den Nutzen dieses gut lesbaren Buchs.
Fisch, Fleisch, Gemüse

Ernährung ist ein Modethema, wie man an dem ausufernden Angebot von Ratgebern und Fernsehsendungen sehen kann. Man kann sich »jung essen«, sich von seiner »Fettleber verabschieden«, seinen Zuckerkonsum in den Griff bekommen, durch »Brot« oder »das Kauen der Nahrung« gesund und fit werden. Lebensmittel werden so auch als Mittel gegen Krankheiten präsentiert. Welche Nährstoffe und welches Essen tatsächlich für uns gesund sind, ist angesichts der Fülle von Informationen und wissenschaftlichen Einzelbefunden nicht leicht zu beantworten.

Das vorliegende, sehr umfangreiche Buch des britischen Genetikers Tim Spector hilft, sich in diesem Dschungel zurechtzufinden. Es besteht aus zwei Teilen: dem zu der »Nahrung« fürs Leben, der die biologischen und medizinischen Aspekte unserer Ernährung erläutert, und einem zweiten Teil über viele verschiedene Gruppen von Lebensmitteln, für die beschrieben wird, welche ihrer Nährstoffe der Gesundheit zuträglich sind oder ihr schaden können.

Ein spannender Blick auch auf die Lebensmittelproduktion

Ernährung sieht der Autor nicht bloß als ein Werkzeug zum Abnehmen oder Zunehmen, sondern er beschreibt sie in einem direkten Zusammenhang mit der Gesundheit des Einzelnen, der Gesellschaft und unseres Planeten. So sind die Inhalte sehr weit gefasst, weil sich die Lebensmittelproduktion auch negativ auf das Klima und die Biodiversität auswirken kann. Monokulturen, die Abholzung für Palmöl, der Ausstoß von Methan in der Landwirtschaft sowie die Vermüllung durch Plastikverpackungen hängen mit der industriellen Erzeugung von Lebensmitteln zusammen.

Wie der Autor betont, hinterlassen auch vermeintlich harmlose Prozesse wie die handwerkliche Herstellung von Käse einen sehr großen ökologischen Fußabdruck. Das Buch erklärt beispielsweise, wie die Darmflora unsere Gesundheit beeinflusst oder welche Nahrungsmittel gesund oder wirklich ungesund sind. Dies sind komplexe Themen – ähnlich wie die Frage, ob uns bestimmte Lebensmittel tatsächlich helfen können, wenn wir beispielsweise unter Allergien oder einer Autoimmunerkrankung leiden.

Zur Frage, ob Nahrungsmittel unser Immunsystem stärken können, nennt Tim Spector als eines von vielen Beispielen die angeblich »immunstärkende Wirkung« von Zink, die jedoch nur für eine kleine Gruppe von Patienten, die an schwerem Zinkmangel und Abnormitäten der Immunzellen litten, nachgewiesen wurde. Obwohl nie ein wissenschaftlich fundierter Nachweis erbracht wurde, dass eine zusätzliche Gabe von Zink zur Verhinderung von Krankheiten beitragen kann, gilt Zink – ähnlich wie Selen – als immunstärkendes Wundermittel. Spector zitiert viele ähnliche Beispiele von vermeintlich wissenschaftlichen Ergebnissen, bei denen es sich tatsächlich aber um Botschaften aus bezahlten Zeitschriftenartikeln handelt. Daher ist es interessant zu lesen, was die akademische Medizin und die Ernährungswissenschaft über gesunde Ernährung wirklich wissen. Der Autor blickt auch auf künftige Entwicklungen und beschreibt in einem Kapitel, wie unsere Ernährung der Zukunft aussehen könnte, und er nimmt uns auch die oft sachlich unbegründete Angst vor der Gentechnik.

Der zweite Teil widmet sich auf rund 400 Seiten vielen verschiedenen alltäglichen Lebensmitteln wie beispielsweise Obst, Gemüse, Brot, Fleisch und Milchprodukten. Der Leser findet hier ausführliche und übersichtlich strukturierte Informationen, die nicht nur interessant, sondern auch für den Alltag nützlich sind. Beispielsweise gibt der Autor Hinweise für die Lagerung von Obst oder die Verwendung von Sauerteig. Das Thema Ernährung ist komplex, und es gibt sehr viele Details, die in der zitierten wissenschaftlichen Literatur weiter ausgeführt werden. Deshalb ist positiv zu vermerken, dass jedes Kapitel mit einer kurzen stichwortartigen Zusammenfassung und Empfehlungen zur Ernährung endet. Dies hilft, den Überblick zu behalten. Was auf den Leser deutlich weniger ansprechend wirkt, ist an vielen Stellen der Verweis auf die Firma Spectors, »ZOE«, die sich auf personalisierte Ernährung spezialisiert hat und für etwa 350 Euro ein Testset zur Bestimmung des Blutzuckers oder der Darmflora sowie einen Ernährungsplan anbietet, der monatlich 70 Euro kostet. Diese Werbebotschaft hinterlässt einen eher schalen Beigeschmack. Das Buch ist dennoch jedem zu empfehlen, der sich einen aktuellen und gut lesbaren Überblick über die Forschung zu unserer Ernährung verschaffen möchte.

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