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Rätselhafte Kultur

Die südamerikanischen Nasca haben riesige Scharrbilder hinterlassen. Vieles an ihnen ist bis heute geheimnisumwoben.

Die riesigen Geogylphen (Bodenzeichnungen) in der trockenen Hochebene des südlichen Perus sind nur aus dem Flugzeug heraus erkennbar. Die gewaltigen Scharrbilder sind Hinterlassenschaften der Nasca-Kultur, die von 200 v. Chr. bis 600 n. Chr. mehrere Flusstäler der Anden besiedelte. Vieles an dieser Gesellschaft ist bis heute rätselhaft. Eine Annäherung wagte die Ausstellung »Nasca – Peru : Archäologische Spurensuche in der Wüste«, die in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen war und vor allem peruanische Exponate zeigte.

Übernatürliche Mischwesen

Das Buch unterteilt sich in zwei Abschnitte: einen einleitenden, der Forschungsgeschichte und Archäologie der Nasca erläutert, und einen Ausstellungskatalog. Dabei kommen sowohl »klassische« archäologische Themen zur Sprache wie Grabformen und -ausstattung, Keramikstile und deren chronologische Einordnung, aber auch Ergebnisse aus der Bioarchäologie und Populationsgenetik. Einen großen Raum nimmt die Darstellung und Interpretation der bildenden Nasca-Kunst ein, sei sie gemalt, in Stoff gewoben oder in den Wüstenboden gescharrt. Zahlreiche Abbildungen davon zeigen mit fließenden Linien und in vielfarbigen Pastelltönen – mal stark abstrahiert, mal realistisch – Tiere und Pflanzen sowie Menschen und übernatürliche Mischwesen.

Besonders interessant sind die theoretischen Überlegungen der Autoren, um diese äußerst komplexen Bildinhalte zu deuten. Sie bringen den Lesern die Forschungs- und Interpretationsgeschichte der Nasca-Bilderwelt näher. Ein Ansatz besteht etwa darin, Bilder als Szenen eines größeren, meist rituellen Themas zu erkennen. So sahen die Nasca einen Zusammenhang zwischen rituell konservierten Ahnenköpfen und Fruchtbarkeit. Ein anderer Ansatz untersucht die Genealogie ihrer übernatürlichen Mythenwesen. Insbesondere Zungen in Form von Schlangen zwischen den einzelnen Wesen werden – wie bei einem Stammbaum – als Abstammungslinien gedeutet.

18 international renommierte Nasca-Spezialisten haben an dem einleitenden Teil mitgewirkt, die ihr jeweiliges Fachgebiet darstellen und die Themenkomplexe in ihrem eigenen Stil präsentieren. Alles in allem sind die Texte leicht verständlich und flüssig zu lesen, abgerundet jeweils durch kurze, prägnante Zusammenfassungen. Gewisse Vorkenntnisse in der Altamerikanistik sind von Vorteil, um kulturelle Zusammenhänge, Lokalitäten und Fachbegriffe schneller einordnen zu können.

Auch der Katalogteil geht über die reine Objektbeschreibung hinaus, indem er die einzelnen Ausstellungsstücke hinsichtlich ihrer Funktion, ihrem kulturellen Zusammenhang und dem großen Kontext der Andenvölker behandelt. Die vielen farbigen Bilder der Ausstellungsstücke mit den kräftigen Pastellfarben der Nasca-Kunst sind von exzellenter Qualität und kontrastieren gelungen mit großformatigen Landschaftsbildern in Schwarzweiß beziehungsweise dem Grau-gelb der peruanischen Wüste. Geschickt gesetzte Texteinzüge gliedern das Ganze gekonnt. Ein wenig irritierend wirken die leuchtend-türkise Schrift der Überschriften und Gliederungszeilen sowie die poppig- gelben Karten.

Um ein umfassendes Verständnis für die Nasca-Kultur zu bekommen, reicht es nicht, nur einzelne Abschnitte oder Bilder zu studieren – zu fern scheint uns die Lebens- und Bilderwelt der Nasca. Ein umfassendes Bild dieser Kultur entsteht erst im Zusammenspiel des einleitenden und des Katalogteils. Der erste lässt sich Interessierten empfehlen, die Vorkenntnisse in der Archäologie Südamerikas haben. Die Objekte im Bildteil mit ihrer reduzierten Abstraktheit und ihren ungewöhnlichen Formen sprechen auch Kunstfreunde an.

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