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Potenziale des Populismus

Populistische Bewegungen sind seit Jahren im Aufwind. Wirtschaftswissenschaftler William Davies sieht darin auch Chancen.

Die AfD in Deutschland, der Rassemblement National in Frankreich, die Movimento 5 Stelle in Italien, die Perussuomalaiset in Finnland (...) sowie ein US-Präsident, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt: Wir leben in »nervösen Zeiten«, resümiert der Wirtschaftswissenschaftler von der University of London. In diesem Buch erklärt er, wie es zum Wandel von einer vernunftbasierten zu einer gefühls­getriebenen Politik kommen konnte – und warum das nicht unbedingt schlecht sein muss.

Das Buch gliedert sich in zwei Teile: »Der Niedergang der Vernunft« und »Der Siegeszug der Gefühle«. Zunächst skizziert der Autor den politischen Ist-Zustand, der sich in populistischen Strömungen, Troll-Fabriken (die gegen alles und jeden hetzen) und Terroranschlägen offenbart – und durch diese wiederum befeuert wird. Um die Ursachen ausfindig zu machen, vergleicht Davies die aktuelle Lage mit der westlichen Welt des 17. Jahrhunderts. Philosophen wie Thomas Hobbes und René Descartes legten damals die Grundlage für das Vernunftideal und unseren heutigen Staat. Davies scheut nicht davor, auf die Schattenseiten der wissenschaftlichen Revolution hinzuweisen, etwa die Überwachung der Bevölkerung durch technische Errungenschaften.

Symptom übergangener Gefühle

Das zunehmend deutlich bekundete Misstrauen gegenüber der Wissenschaft erklärt Davies damit, dass Statistiken oft nicht die »gelebte Realität« widerspiegeln. Argwohn gegenüber der Wirtschafts-, Wissenschafts- und Politikelite resultiere weiterhin aus dem Gefühl, nicht vom Fortschritt zu profitieren – oder gar von diesem bedroht zu sein. Mitunter mache die schlechte Lebenssituation benachteiligter Menschen sie für die Botschaft von Populisten empfänglich, die bessere Zeiten versprechen. Doch Davies sieht den Populismus nicht nur als Bedrohung, sondern als Symptom übergangener Gefühle, die nun aus dem Verborgenen in die Öffentlichkeit gelangen. Diese ernst zu nehmen und ihre Ursachen zu verstehen, birgt für ihn die Chance, Missverhältnisse in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aufzudecken und ein neues Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Viele prägnante Zitate und anschauliche Beispiele zeichnen das Buch aus. Mehr als 200 Einzelnachweise untermauern die wohldurchdachte Argumentation und sorgen für hohe Informationsdichte. Davies gelingt es, ein facettenreiches Bild der aktuellen politischen Entwicklung zu zeichnen, indem er unter anderem Erkenntnisse aus Geschichte, Ökonomie, Philosophie und Psychologie berücksichtigt. Ungewöhnlich an dem Werk ist vor allem die positive Sicht auf den Populismus, in dem der Autor auch eine Chance für die Demokratie sieht.

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