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Buchkritik zu »Nichts als das Nichts«

Wie leer kann ein Raum sein? Was ist überhaupt Raum, und wann ist er tatsächlich leer? Kann man von einem "Nichts" sprechen, wenn man alle Atome aus dem Raum entfernt hat?

Nicht wirklich, wie uns die moderne Physik lehrt. In der Quantenfeldtheorie gibt es keinen im Wortsinn leeren Raum. Selbst wenn man alle Atome entfernen, durch geeignete Abschirmung alle Strahlung von ihm fernhalten und ihn auf den absoluten Nullpunkt der Temperatur herunterkühlen würde, bliebe immer noch ein Rest Wärmestrahlung übrig. Auf der Ebene der Elementarteilchen ist der Vakuumzustand höchst dynamisch: Ständig laufen Prozesse ab, bei denen Teilchen erscheinen und wieder verschwinden. Wenn das Vakuum Higgs-Felder enthält, ist es paradoxerweise sogar energieärmer als ohne sie.

Dagegen steht das Konzept der Allgemeinen Relativitätstheorie, in der ein Raum theoretisch tatsächlich leer sein kann. Dabei ist heute noch nicht klar, wie die beiden physikalischen Sichtweisen miteinander zu verknüpfen sind. Denn bislang gibt es keine einheitliche Beschreibung der Welt des Großen, die von der Allgemeinen Relativitätstheorie erfasst wird, und der des Allerkleinsten, das durch quantenmechanische Prozesse beherrscht wird.

Um sich dem Thema zu nähern, spannt Henning Genz, pensionierter Professor am Institut für Theoretische Teilchenphysik der Universität Karlsruhe, einen weiten Bogen von der Antike – schon Aristoteles hielt einen leeren Raum für unmöglich – bis zu den modernen Feldtheorien. Die komplexen mathematischen Strukturen, die hinter diesen Vorstellungen stehen, führt der Autor Schritt für Schritt ein. Aufbauend auf historischen Überlegungen und Experimenten verdeutlicht er, dass der Raum fast leer ist, aber angefüllt mit Feldern.

Auch Einsteins vierdimensionale Raumzeit der Allgemeinen Relativitätstheorie ist, wie man heute weiß, nicht wirklich leer. Vor einigen Jahren fanden Astronomen Hinweise auf die Dunkle Energie, eine Art potenzieller Energie des Universums, die zu einer beschleunigten Expansion des Alls führt. Noch ist unklar, wie sie mit dem quantenmechanischen Vakuum zusammenhängt.

Henning Genz liefert einen kompakten Überblick über den Stand der theoretisch-physikalischen Forschung, die gegenwärtigen Probleme, aber auch mögliche Auswege. Es ist kein leicht zu lesendes Buch. Im Gegensatz zu "Die Entdeckung des Nichts. Leere und Fülle im Universum" vom selben Autor ist dieser Band mit mathematischen Formeln gespickt. Nur wer ein paar Jahre theoretische Physik studiert hat, wird deshalb seinen Inhalt wirklich erfassen können. Dafür erhält er einen detaillierten, fundierten und lesenswerten Überblick. Leider enthält das Buch zwar ein Personen-, aber kein Sachregister.

Eine kleine Marotte leistet sich der Autor. Fast immer – bis auf wenige Ausnahmen – spricht er "die Leserin" an. Aber auch Männer dürfen das Buch lesen.

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 3/2005

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