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Endlich wieder Platz

Fotograf Henk van Rensbergen setzt Orte in Szene, die der Mensch verlassen hat und an denen jetzt Tiere leben.

Die meisten der 95 großformatigen Farbfotos in diesem Bildband wirken beklemmend. Der belgische Pilot und Fotograf Henk van Rensbergen hat Orte aufgenommen, die von den Menschen verlassen sind. Dazu gehören Villen mit angesetzter Patina inmitten üppig wuchernder Gärten; Ruinen ehemals prächtiger Monumente, auf denen jetzt Pflanzen wuchern; oder der Blick auf ein schier unendliches Meer von Grün, das Spuren ehemaliger Bebauung aufweist. Der Anblick stillgelegter Industrieanlagen, leerer Gebäude und einsamer unterirdischer Komplexe bereitet Unbehagen.

Das Menschenleere versinnbildlichen

Van Rensbergen gehört zu den Pionieren des »Urban Exploring«, einer Bewegung, die sich dem Aufspüren und Erkunden verlassener Räume widmet. Für Fotografen sind diese ein idealer Hintergrund, um das Menschenleere zu versinnbildlichen. Van Rensbergen belässt es aber nicht bei einer reinen Ruinenschau. Er hat Tiere an die abgebildeten Orte platziert – entweder in Wirklichkeit oder virtuell, indem er sie nachträglich am Computer einfügte. Allerdings wählte er sie nicht nach der jeweiligen lokalen Fauna aus, sondern nach ästhetischen Gesichtspunkten wie Charakter, Licht- und Farbeindruck der Szenerie.

Bruchbude | Dieses Bett hat schon lange niemand mehr gemacht. Der Hund fühlt sich trotzdem wohl.

Über allem steht die Frage, was mit Tieren geschehen würde, verschwände der Mensch von der Bildfläche. Und zwar nicht nur mit domestizierten wie Rindern, Schweinen und Hühnern, die in dem Bildband eher selten auftreten. Sondern auch mit Zootieren, die nach der Vorstellung des Fotografen die vom Menschen verlassenen Orte beleben würden. Heraus kommen Bilder, die verwirren, einschüchtern und traurig machen. Wegen der mitunter absurden Kombination von Ort und Lebewesen erheitern sie manchmal aber auch, etwa wenn sie Rinder in leeren Kaufhäusern oder Elefanten in einem Parkhaus zeigen.

Morsches Gotteshaus | Die letzte Andacht liegt weit zurück, und das Schwein kann ungestört die Ruine inspizieren.

Die Leser erblicken majestätisch anmutende Tiere wie Löwe, Giraffe oder Nashorn inmitten prächtiger Herrscherhäuser, was Erhabenheit versinnbildlicht. Ein in opulenten Gemächern herumstolzierendes Huhn oder auf dem Boden kriechende Krokodile hingegen wirken eher komisch. Auf anderen Fotos streichen Hyänen um Vitrinen mit ausgestopften Tieren herum, und Affen lümmeln in Krankenhauszimmern und Operationssälen herum. Es ist ein inszenierter Triumph der Fauna über die menschliche Gestaltungsmacht. Wer wird der Menschheit Denkmäler setzen, fragt man sich beim Anblick grasender Kühe unter Dinosaurier-Exponaten. Aufnahmen von leeren Straßen oder Bahnschienen, die zum Horizont führen, stehen gewöhnlich für Sehnsucht und sind positiv konnotiert. In diesem Band aber erzeugen sie ein Gefühl ungeheurer Verlassenheit.

Nachfrage erloschen | Hier kauft niemand mehr braune Limo.

Der kunstaffine britische Verhaltensforscher Desmond Morris legt im Vorwort schnörkellos und plausibel drei Bedrohungen dar, mit denen er die Menschheit konfrontiert sieht: Überbevölkerung, Pandemien und Nuklearkriege. Im Nachwort greift der belgische Schriftsteller Peter Verhelst einige Bildeindrücke auf und rundet das Werk mit einem fiktiven Logbuch ab, in dem der letzte menschliche Überlebende eines apokalyptischen Ereignisses seine verbleibenden Tage festhält.

»No Man's Land« ist ein spannender Bildband für kunstinteressierte Naturliebhaber oder naturinteressierte Fotografie-Begeisterte. Das Buch regt zum Nachdenken und Diskutieren an.

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