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»Ozeane«: Die Optimisten und das Meer

David Attenborough und Colin Butfield zeichnen ein lebendiges und wissenschaftlich fundiertes Porträt der Ozeane und bringen Optimismus in die Debatte um den Schutz der Meere.

In dieses Buch kann man direkt auf den ersten Seiten buchstäblich ein- und mit einem Blauwal im Pazifischen Ozean des Jahres 1941 abtauchen; um dann, 83 Jahre später, vor der kalifornischen Küste wieder aufzutauchen. Mit der Lebensspanne des beschriebenen Blauwals als zeitlichem Horizont machen David Attenborough und Colin Butfield im Eingangskapitel ihres Buches deutlich, welch enorme Veränderungen sich in den Weltmeeren in dieser kurzen Zeitspanne zugetragen haben.

Denn binnen weniger Jahrzehnte vervielfachte sich das wissenschaftliche Wissen über Ozeane und das Leben in ihnen. Sonartechniken erlaubten erstmals ein dreidimensionales Verständnis des Meeres, Tauchboote und -roboter drangen in die entlegensten Regionen vor, und komplexe Ökosysteme wurden mit moderner DNA-Analyse erforscht – um nur einige Beispiele zu nennen. Im selben Zeitraum brachte der Mensch Fisch- und Walbestände zunächst an den Rand der Ausrottung, bis diese sich in den folgenden Jahren der Schonung wieder leidlich erholten. Attenborough und Butfield halten es für möglich, dieses Prinzip in Zukunft auch auf ganze Ökosysteme anzuwenden – vorausgesetzt, die Menschheit sei bereit, mit mehr Weitsicht und Verstand zu Werke zu gehen.

In diesem Einstieg zeigt sich bereits das Grundmuster des Buchs: In fachlich fundierte Beschreibungen werden immer wieder kurze Erzählungen eingestreut, die den – ohnehin guten – Lesefluss noch weiter auflockern. Und das einleitende Kapitel setzt auch seinen Grundton: den Optimismus der Autoren, der wahrscheinlich vor allem in den positiven Erfahrungen des fast ein Jahrhundert überschauenden Attenborough begründet ist.

Ein begründeter Optimismus

Dieser Optimismus vergrößert die Freude an der Lektüre, da man nicht permanent mit dem Niedergang der Ökosysteme und einem erhobenen Zeigefinger konfrontiert wird. Zudem hinterlegen die Autoren ihren positiven Wahrnehmungen einschlägige Beispiele. So berichten sie von der Erholung von Korallenriffen, nachdem diese unter Schutz gestellt wurden, dem Nachwachsen von Mangrovenwäldern, dem erneuten Wachstum von Fischbeständen oder der positiven Wirkung international verbindlicher Schutzverträge in der Antarktis.

Eben mit jenen Ökosystemen befassen sich die Autoren im Mittel- und zugleich Hauptteil des Buchs. In diesem werden ausgewählte Ökosysteme vorgestellt: etwa Korallenriffe, die Tiefsee, Kelpwälder oder die polaren Ozeane. Solch eine Auswahl muss, angesichts der enormen Größe der Weltmeere und der Lebensräume, zwangsläufig begrenzt bleiben. Gleichwohl ist sie gut getroffen, da die Beispiele alle für eine gesunde Umwelt relevant sind. So sind die Kelpwälder für den Küstenschutz von Bedeutung, Korallenriffe dienen als marine Kinderstube, und Polarmeere sind als krillreiche Weidegründe für Wale enorm wichtig. All diese Ökosysteme beschreiben die Autoren ausgesprochen anschaulich, ohne dabei Abstriche bei der wissenschaftlichen Genauigkeit zu machen. Das Buch trägt in dieser Hinsicht klar die Handschrift des Dokumentarfilmers Attenborough, der weiß, wie man eine Geschichte plastisch erzählt. Gleichzeitig scheint auch in diesen einzelnen Unterkapiteln die Zuversicht der Autoren durch, wenn sie zeigen, welche Schutzmaßnahmen in den jeweiligen Ökosystemen erfolgreich umgesetzt wurden – warum sollte das nicht wieder gelingen?

So endet auch das abschließende Kapitel des insgesamt sehr lesenswerten Buches zuversichtlich. In ihm blicken die Autoren auf das, was innerhalb einer menschlichen Generation möglich sein könnte. Man mag ihnen nur zustimmen, wenn sie schreiben: »Bislang waren wir vor allem gut darin, Geschichten von Untergang und Zusammenbruch zu erzählen, sodass sich viele von uns problemlos einen zukünftigen Ozean vorstellen können mit gebleichten Korallen, an Plastik erstickten Schildkröten, Abwasserschwaden, Quallenschwärmen und Geisterstädten an den Küsten, wo einst von Leben pulsierende Fischerdörfer waren. Doch in Zukunft werden Geschichten von Innovation, Hoffnung sowie Heldinnen und Helden ebenso wichtig sein, da sie uns zeigen, wer wir sind, und uns zugleich inspirieren, wer wir noch werden können«. Dieses Buch zumindest erzählt die erste dieser Geschichten.

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