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»Philosophisches Handbuch Künstliche Intelligenz«: Jugendbildnis einer Technologie

Das philosophische Handbuch konzentriert sich auf die grundlegenden Fragen zur künstlichen Intelligenz. Ein klug gewählter Ansatz, der aufgeht.

Ein sich schnell bewegendes Ziel ist schwer zu treffen. Die künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich so rapide, dass der Versuch, darüber ein »Philosophisches Handbuch« zu verfassen, einigermaßen kühn anmutet. Für abschließende Befunde ist es jedenfalls zu früh. Das vorliegende Werk konzentriert sich deshalb klugerweise auf die Grundlagen.

Der Herausgeber Klaus Mainzer ist Wissenschaftsphilosoph mit besonderem Augenmerk auf Phänomene wie Komplexität, Emergenz und Selbstorganisation. Er versteht Philosophie als Grundlagenforschung, »die logisch und methodisch die Prinzipien von Wissenschaft und Technik untersucht«. Darum werden Leser enttäuscht sein, die rasche Auskunft über vermeintlich große Fragen suchen wie: Wann wird die KI Bewusstsein entwickeln? Wird sie uns Menschen bald über den Kopf wachsen, uns versklaven, gar ersetzen? Oder ist der menschliche Geist etwas derart Besonderes, dass keine Maschine ihm je das Wasser wird reichen können?

Das Ziel des Handbuchs ist bescheidener, konkreter und ergiebiger. Es will »Orientierungswissen« über eine Technik im Werden liefern. Mit einem solchen Kompass lässt sich vielleicht eine Art friedliche Koexistenz von menschlichem und künstlichem Denken erreichen. Nach einem Abriss der historischen und logischen Grundlagen widmen sich mehrere Co-Autoren intelligenten Sprachsystemen wie ChatGPT, die bereits in Alltag und Beruf angekommen sind. Solche »Großen Sprachsysteme« (»Large Language Models«, kurz »LLMs«) erreichen ihre spektakulären Effekte mit einer – gegenüber menschlichen Grammatiken primitiven – stochastischen Programmierung; doch die kann dafür auf riesige Datenmengen zugreifen und sie verarbeiten.

Hingegen verfügt das Kleinkind anfangs nur über wenige Beispielsätze, aus denen es mit Hilfe einer angeborenen »Tiefengrammatik«, sowie unterstützt von sozialem Lernen, eine Unendlichkeit neuer Sprachäußerungen zu generieren vermag. Mainzer formuliert die allgemeine Moral von der Geschichte: Eine erfolgreiche Technik muss »sich keineswegs am menschlichen Vorbild orientieren, um erfolgreich zu sein.« Andererseits kann sie mit ihrem (bislang) beschränkten Erfolg »keineswegs beanspruchen, den Menschen zu ersetzen.«

Maschine mit Bewusstsein?

Besonders anspruchsvolle Kapitel des Handbuchs widmen sich etwa der Frage: Wie lässt sich garantieren, dass eine lernfähige Maschine, obwohl ihr Inneres einer unzugänglichen »Black Box« entspricht, dennoch zuverlässige Ergebnisse liefert? Oder: Wie erlernt so eine Maschine nicht nur statistische Korrelationen, sondern kausale Zusammenhänge? Oder: Was ist vom Einsatz künftiger Quantencomputer für intelligente Maschinen zu erwarten?

An der Technischen Universität München wurde 2018 ein Forschungsschwerpunkt für Robotik etabliert, um KI-Geräte mit einem empfindungsfähigen »Körper« auszustatten. Daraus sind die wohl spannendsten Abschnitte des Handbuchs hervorgegangen. Hier wird das philosophische Leib-Seele-Problem einer technischen Behandlung zugeführt, und zwar entlang der Frage: Wie können wir wissen, ob ein komplexes System, sei es Mensch oder Maschine, über Bewusstsein verfügt?

Als Fazit zeichnet sich ein fast unbegrenzter Raum von technischen Möglichkeiten ab. Letztlich, so Mainzer, »wird es um die ethische und rechtliche Frage gehen, bis zu welchen Grenzen wir die technische Entwicklung autonomer Systeme zulassen wollen.«

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