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Buchkritik zu »Physik auf der Spur«

Die Kriminaltechnik ist eine ziemlich junge Wissenschaft. Fast alle heutigen Methoden der Spurensuche sind in den letzten hundert Jahren entstanden. Allgemein kamen die Menschen überraschend spät auf die Idee, Verbrechen mit wissenschaftlichen Methoden aufzuklären. Einer der ersten dokumentierten Fälle, die Aufklärung eines Giftmords durch Ärzte, ereignete sich erst im 18. Jahrhundert.

Die bekannteste Kriminaltechnik ist zweifellos die Untersuchung von Fingerabdrücken ("Daktyloskopie"). Der promovierte Physiker Patrick Voss-de Haan, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundeskriminalamt und nebenher Wissenschaftsjournalist, beleuchtet, wie sie entstand, und beschreibt Kriminalfälle, die mit ihrer Hilfe aufgeklärt werden konnten. Überdies erfahren wir, wie man Fingerabdrücke in Klassen einteilt und mitsamt diesen Informationen archiviert, und lernen die erstaunlich vielen Möglichkeiten kennen, Fingerabdrücke sichtbar zu machen.

Sowohl die Lupe als auch das Lichtmikroskop haben immer wieder geholfen, Indizien sicherzustellen. Und weil dem Autor die Optik offenbar wichtig ist, widmet er ihren Grundlagen einen großen Teil seines Buchs. Das ist durchaus interessant, aber nicht eigentlich Kriminaltechnik.

Noch vieles andere spricht der Autor an. Etwa Röntgen- und Ultraschalluntersuchungen, chemische Analysen und das Sichtbarmachen von abgeschliffenen Seriennummern an Pistolen. Immer wieder greift er berühmte Fälle der Kriminalgeschichte auf und versucht an ihnen zu zeigen, was die eine oder andere Methode der Kriminaltechnik leisten kann. So entsteht eine Mischung aus Wissensvermittlung und anekdotischem Erzählen.

Leider hat Voss-de Haan seine Möglichkeiten an vielen Stellen nicht ausgeschöpft. Eigentlich ist ein Kriminalfall von allein schon erregend; aber Voss-de Haans Schilderungen fallen kurz, fragmentarisch und meist wenig spannend aus. Hier hat der Autor viel verschenkt.

Der insgesamt farblose Eindruck wird durch die spartanische Bebilderung noch verstärkt. Warum muss dieses Buch im heutigen Multimedia-Zeitalter mit minimalistischen Strichskizzen und vereinzelten Schwarz-Weiß-Aufnahmen im Kleinstformat auskommen? Warum muss man den weltbekannten Detektiv Sherlock Holmes als simple schwarze Silhouette lieblos in irgendeine Seitenecke quetschen? Heutige Bildarchive enthalten Hunderte von Darstellungen, die wesentlich ansprechender sind.

Wer sich ganz spezifisch für die Methoden der Kriminaltechnik interessiert und sonst keine Ansprüche hat, sieht über die Schwächen des Buchs möglicherweise hinweg. Auch wer es entgegen dem Titel als ganz normales Physiklehrbuch konsumiert, kommt auf seine Kosten. Den anderen Lesern könnte es ähnlich gehen wie mir: Ich habe mangels fesselnder Inhalte irgendwann nicht mehr weitergelesen.

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 12/2006

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