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Buchkritik zu »Schau mal ... ich wachse«

Die Ultraschallbilder, die man nach der obligatorischen Schwangerschaftsuntersuchung mit nach Hause nehmen darf, sind ja schon irgendwie rührend – das erste Bild vom eigenen Kind! Aber sie erfordern ein gewisses Abstraktionsvermögen, ebenso wie – meistens – der Anblick eines Neugeborenen selbst. Natürlich fand ich meinen Moritz vom ersten Lebenstag an wunderschön; aber ehrlich gesagt, der kleine Prinz sah doch eher wie ein Frosch aus.

Zumindest was den Ultraschall angeht, erspart einem nun eine technische Entwicklung nicht nur das Abstrahieren, sondern gewährt völlig neue Einblicke. Statt eines Schnitts durch den Körper zeigen die neuen Geräte, über deren Technik man kaum etwas erfährt, ein richtig dreidimensionales Bild. Wenn die Rechenleistung ausreicht, kann man dem Kind sogar in Echtzeit beim Strampeln zuschauen – das eigene Kind als Filmstar. Das vorliegende Büchlein zeigt in eindrucksvoller Weise, welche Qualität die Aufnahme- und Bildverarbeitungstechnik inzwischen erreicht hat. Ab Woche 6 findet sich zu jeder Schwangerschaftswoche mindestens eine Aufnahme vom Kind im Mutterleib.

Der Fotograf ist ein alter Hase: Professor Stuart Campbell betreibt die pränatale Ultraschalldiagnostik seit vierzig Jahren, und sein Arbeitsplatz, die "Create Health Clinic" in London, ist mit erstklassige Gerät ausgestattet. Zu jeder Woche gibt es auf ein bis zwei Seiten außer den Fotos Angaben zu Länge und Gewicht; außerdem erzählt das Kind, was es in der jeweiligen Woche an Körperbau und Fähigkeiten zugelegt hat. Eingestreute kleine Kästen und ein abschließendes Kapitel "Die häufigsten Fragen" enthalten eine etwas willkürliche Sammlung von Zusatzinformationen. Wesentlich interessanter sind die an verschiedenen Stellen eingefügten Doppelseiten über das Verhalten des Babys im Mutterleib. Es ist schon eindrucksvoll, das Kind hüpfen, gähnen oder lächeln zu sehen.

Auch Stuart Campbell muss allerdings indirekt zugeben, dass hier eine faszinierende Technik bislang vergeblich auf der Suche nach einer Anwendung ist. Der medizinische Wert der 3-D-Bilder ist – jedenfalls zurzeit – vernachlässigbar. Ob das Kind an einer Fehlbildung leidet, kann der erfahrene Arzt auf dem konventionellen Ultraschallbild mindestens so gut erkennen. Hilfsweise weist Campbell darauf hin, dass der realistische Anblick des eigenen Kindes die Mutter-Kind-Bindung ("bonding") in besonderem Maße fördert. Das ist in der Tat der Fall, mit dem Effekt, dass bereits geschäftstüchtige Ärzte die Babybildchen zu stolzen Preisen als Zusatzleistung bei der Schwangerenbetreuung anbieten. Da heißen dann die bewegten Bilder auch schon mal "vierdimensional", weil die Zeit als vierte Dimension hinzukommt.

Aber ich gebe zu: Die Babybilder sind wirklich wunderschön. Und ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich mir nicht vielleicht doch eins gegönnt hätte, wenn entsprechendes Gerät für mich verfügbar gewesen wäre.

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 8/2005

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