»Schaut zu den Sternen!«: Wenn ein großer Physiker zu Kindern spricht
Dieses Buch ist kein »klassisches« Astronomiebuch für Kita- und Grundschulkinder – auch wenn der motivierende Titel dies nahelegt. Es geht nicht um Planeten, Monde und Sternbilder. Dieses Buch ist eine Botschaft, das Vermächtnis eines der größten Wissenschaftler an die ganz junge Generation.
Stephen Hawking ist durch bahnbrechende Erkenntnisse zu Schwarzen Löchern, der Relativitätstheorie und der Kosmologie bekannt geworden und hat diese in seinen populären Büchern auch einer breiten Öffentlichkeit nahegebracht. Er litt an einer besonderen Form von ALS, einer degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems, die ihn mit 26 Jahren in den Rollstuhl zwang. Mit 43 verlor er zudem die Fähigkeit zu sprechen und war seitdem auf einen Sprachcomputer angewiesen. Als Hawking 2018 starb, veröffentlichte die Cambridge University, an der er 30 Jahre lang den Lucasischen Lehrstuhl für Mathematik innehatte, ein sehr sehenswertes kurzes Video mit einem Auszug aus einer Rede, die er ein Jahr zuvor (2017) bei einer Konferenz gehalten hatte und in der er bewegende Worte an die Welt richtete. Die Gedanken dieser Rede sind auch in dieses Buch eingeflossen, ebenso eine weitere Nachricht, die Stephen Hawking für die Nachwelt aufgezeichnet hat; sie wurde als Film anlässlich des 50. Jahrestags des »Tags der Erde« am 22.04.2020 von der Europäischen Weltraumorganisation ESA zu dem nächstgelegenen Schwarzen Loch gesendet.
Gemeinsam mit der Illustratorin Xin Li hat Lucy Hawking, Stephen Hawkings Tochter und eine bekannte Kinderbuchautorin, beide Botschaften für »alle Kinder, die neugierig auf die Welt und den Kosmos sind«, als großformatiges Buch in Bild und in Text umgesetzt: Aus seiner Perspektive erzählt Stephen Hawking von sich selbst und seinem Universum. Er stellt Fragen wie »Was ist ein Schwarzes Loch?«, »Wie groß ist das Universum?« und »Wie viele Sterne gibt es dort?«. Die entsprechenden Antworten werden erst später gegeben – an dieser Stelle würden sie den Zauber des Buches brechen.
Es geht um unsere Zukunft
Schon wenige Seiten weiter lädt Hawking seine jungen Leserinnen und Leser ein, ihm bei der Beantwortung noch ganz anderer wichtiger Fragen zu helfen: »Wie können wir auf unseren Planeten aufpassen?« und »Wie können wir für eine lebenswerte Zukunft sorgen?«. Und er macht sich zusammen mit den Kindern dieser Welt auf die Suche nach Antworten. Auf jeder Buchseite kommen sie den möglichen Lösungen ein Stück näher.
Am Ende des Buches finden wir auf zwei Doppelseiten noch die Antworten zu den astronomischen Fragen vom Beginn des Buchs. Die Texte sind so verfasst, dass sie – sehen wir von den notwendigen riesigen Zahlen einmal ab – gut auch jüngeren Kindern vorgelesen werden können. Alternativ können die Vorlesenden die Antworten auch zunächst für sich lesen, um sie dann beim gemeinsamen Durchblättern des Buchs mit den Kindern in ihren eigenen Worten einfließen zu lassen. Etwas ältere Kinder können die Texte natürlich selbst lesen, die Sprache ist einfach und trotzdem lebendig. Das Buch endet mit einem lesenswerten Text über Stephen Hawking und seine Botschaft zum »Tag der Erde«. An dieser Stelle hätte ich mir einen QR-Code zur entsprechenden ESA-Botschaft gewünscht (der übrigens auch der englischen Originalausgabe fehlt), da sie die Intention des Buchs noch einmal deutlicher hätte werden lassen.
Das Buch ist liebevoll und fantasievoll illustriert. Li und Hawking achten sehr darauf, dass die Protagonisten des Buchs die große Vielfalt der Menschheit abbilden. Gemeinsam – als Bewohner unseres Planeten – machen sie sich auf den Weg, für die Erde zu kämpfen, sich um sie und einander zu kümmern. Und am Ende der Reise stehen sie gemeinsam unter dem Sternenzelt und lauschen den Worten von Stephen Hawking, die er anlässlich der oben genannten Rede von 2017 gesprochen hat: »Und wenn ihr mal nicht wisst, was zu tun ist, dann schaut nicht nach unten zu euren Füßen, sondern hoch hinauf zu den Sternen.«
Fazit: Bisher mein Kinderbuch des Jahres.
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