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»Signale aus unserer Welt«: Zum Scheitern verurteilte Kommunikation

Gerhard Conrad stellt die Radiobotschaften vor, die von unserem Planeten zu möglicherweise bewohnten Exowelten unterwegs sind.
Funken, Radioausbrüche, Radioastronomie

Gäbe es einen Preis für das schlechteste Sachbuch des Jahres, so würde ich gerne dieses Werk nominieren. Extrem langatmig liest sich das Buch des Pensionärs Gerhard Conrad, das den Lesern die Botschaften vorstellen möchte, die die Menschheit bisher per Radiowellen an andere Sterne geschickt hat. Was eigentlich nach einer pfiffigen Idee klingt, entpuppt sich als strukturloser Bandwurm. Insgesamt 26 gesendete Nachrichten hat Conrad ausgemacht, und dementsprechend gibt es 26 gleichartige Kapitel. Ein weiteres Kapitel widmet sich dem 1977 empfangenen »Wow«-Signal, das bei Alien-Fans immer noch als mögliche Entdeckung einer außerirdischen Botschaft gehandelt wird.

Als Einführung präsentiert der Autor einen kurzen, unvollständigen und flachen Abriss der Geschichte der Astronomie. Sein Werk endet mit einem Kapitel, in dem er versucht zu diskutieren, ob man interstellare Kommunikation versuchen soll. Leider fehlt es dem Text auch hier an gedanklicher Tiefe, was sich bereits an der Kürze des Kapitels zeigt. Dafür finden sich allgemeine Aussagen über interstellare Kommunikation verstreut in den einzelnen Kapiteln, die man besser in einem übergreifenden Kapitel gesammelt hätte. So bleibt das Buch ohne Dramaturgie und rechte Struktur.

Die 26 Kapitel über die Botschaften sind allesamt gleich gestrickt: Sie präsentieren die eigentlichen Botschaften nur kurz; die meiste Zeit müssen sich die Leser durch die Beschreibungen der Sterne und Exoplaneten quälen, zu denen die Radiosendungen unterwegs sind. So werden für jeden Stern seine Leuchtkraft, sein Alter, seine Masse, seine Metallizität und sein Abstand diskutiert, und ebenso wird für die zugehörigen Exoplaneten angegeben, was man über deren Beschaffenheit weiß. Diese Information hätte vermutlich leicht in einer doppelseitigen Tabelle Platz gefunden – wohlgemerkt, in einer Tabelle für alle 26 Kapitel.

So stößt man dann auch hin und wieder im Text auf einen Exoplaneten, den Experten für lebensfreundlich halten – aber eine Übersicht, welche der 26 Botschaften dementsprechend eine reelle Chance hat, entdeckt zu werden, fehlt. Ebenso hat Conrad es versäumt, die Reichweite der Botschaften zu vergleichen, die sich aus Sendeleistung und Strahlbündelung ergibt. So dürfte nicht nur die Signallaufzeit der Arecibo-Sendung von 1974 zum Kugelsternhaufen M13 mit rund 25 000 Jahren problematisch sein, sondern auch einfach die für so einem Abstand geringe Signalstärke. Eine weitere offensichtliche Auslassung: Conrad diskutiert nicht, inwieweit die Erde aufgrund des allgemeinen Radiolärms, den die Menschen verursachen, für Extraterrestrische entdeckbar ist.

Weiter muss man kritisieren, dass es in dem Buch von fachlichen Fehlern wimmelt. Beispielsweise sind die Faktoren der Drake-Formel (zur Abschätzung der Zahl der kommunikationsfähigen Kulturen im All) manchmal fälschlicherweise als »Anzahl« beschrieben, wo es aber »Anteile« heißen müsste. Conrad verwechselt auch immer wieder die Europäische Weltraumorganisation ESA mit der Europäischen Südsternwarte ESO. Zudem scheitert er an der korrekten Beschreibung der globalen Radiointerferometrie VLBI oder schreibt von Positionierung, wo er Positionsbestimmung sagen müsste.

Einen wirklich groben Fehler macht er bei der Beschreibung der Radiokarte der Milchstraße im Wasserstofflicht. Diese hat einen blinden Fleck in Richtung des Zentrums der Milchstraße, da in diese Richtung der Dopplereffekt zu klein wird, um ihn für die Kartierung zu verwenden. Conrad fabuliert, dass der blinde Fleck ein Schatten ist, entstanden durch das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, was weder von der Physik noch von den Skalen her irgendeinen Sinn macht.

Zu allem Unglück finden sich auch noch zahlreiche Tippfehler im Text – manche wie »Lebensmaker« lassen einen eine Weile rätseln, bis man erkennt, dass es wohl um Marker gehen soll. Und verstümmelte Sätze, wie sie beim unvorsichtigen Redigieren entstehen können, gibt es auch. So leid es mir tut – an diesem Buch kann ich kein gutes Haar lassen. Und Sie lassen besser die Finger davon.

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