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Buchkritik zu »Sind wir allein? SETI und das Leben im All«

Die Zeiten, in der sich der Mensch einbildete, das Maß aller Dinge zu sein, sind längst vorbei. Kopernikus verbannte die Erde aus dem Mittelpunkt des Universums, indem er das geozentrische Weltbild durch das heliozentrische ersetzte. Unsere Sonne wiederum schwirrt als einer von vielen Milliarden Sternen durch das Milchstraßensystem. Und dass unsere Galaxis nicht das ganze Universum darstellt, wissen wir seit rund hundert Jahren. Die Wissenschaft hat die Menschheit vom Sockel der Anthropozentrik gestürzt und in den Staub der kosmischen Bedeutungslosigkeit gestoßen.

Na ja, noch nicht ganz. In einer Hinsicht kann sich der Mensch noch als Krone der Schöpfung fühlen: Außer der Erde ist uns bislang kein anderer Planet bekannt, auf dem Leben existiert. Aber die Wissenschaft arbeitet daran, auch diese letzte Wissenslücke, die uns an eine Art Auserwähltheit glauben lassen könnte, zu schließen. Immerhin sind in den letzten Jahren mehr als hundert Planeten entdeckt worden, die nicht unsere Sonne, sondern andere Sterne umkreisen. Ob allerdings auf ihnen oder in irgendeiner anderen Ecke des Kosmos auch Leben – womöglich sogar intelligentes – existiert, das steht wahrhaftig noch in den Sternen. Die systematische Suche nach extraterrestrischem Leben – kurz als SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) bekannt – begann 1960 mit dem "Projekt Ozma" in Green Bank, West Virginia. Der Autor des vorliegenden Buches, Sebastian von Hoerner, kam nach seiner Habilitation an der Universität Heidelberg und nach Abschluss der "Projekt-Ozma"-Beobachtungen nach Green Bank. Begeistert wirkte er an SETI mit – nicht als Beobachter, sondern als Theoretiker. Neben seinen kosmologischen Arbeiten und seinen Weg weisenden Beiträgen zum Entwurf von großen Radioteleskopen veröffentlichte er rund zwanzig Arbeiten zu SETI. Seine persönlichen Erfahrungen mit diesem Forschungsgebiet machen denn auch den besonderen Charakter dieses Buches aus. So ist "Sind wir allein ?" nicht nur eine Einführung in die Grundlagen der Suche nach Außerirdischen, sondern auch ein persönlicher Bericht eines renommierten Astronomen, der das Forschungsgebiet, über das er erzählt, maßgeblich mitbestimmt hat.

Von Hoerners knappe, gelegentlich an eine Faktensammlung erinnernde Ausdrucksweise fordert vom Leser eine gewisse Vertrautheit mit wissenschaftlichen Gedankengängen. Nach einem einführenden Kapitel und der Darstellung astronomischer Grundlagen schätzt der Autor die Chancen für die Existenz anderer technisierter Zivilisationen ab. Er berichtet über die Eigenheiten und die Entstehung irdischen Lebens und diskutiert, was denn eigentlich die "Intelligenz" des Lebens ausmacht. Spätestens hier entwickelt sich bei von Hoerner die Suche nach außerirdischer Intelligenz auch zu einer Suche nach uns selbst. Wenn der Leser die eher technischen Kapitel über die – bisher vergeblichen – Versuche der Radioastronomen liest, künstliche Signale im All zu entdecken, wird auch manchem Skeptiker klar, dass erst der Blick nach außen eine neue Sicht auf die Erde und unser Dasein ermöglicht. Sebastian von Hoerner hat mit diesem Buch gewissermaßen auch ein Vermächtnis hinterlassen. Kurz nach Vollendung des Manuskripts ist er am 7. Januar 2003, im Alter von 83 Jahren, in Esslingen gestorben.

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  • Quellen
Astronomie Heute 4/03

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