»SOFIA«: Teleskop an Bord
»SOFIA – Mission infrarotes Universum« wiegt 2,2 Kilogramm und hat im Prinzip das Zeug zum »Coffee Table Book«. Es ist großformatig, fast 500 Seiten stark und reich mit Bildern und Infografiken bestückt. Ein Geleitwort, ein Grußwort und zwei Vorworte beschreiben allesamt liebevoll, wie aufwendig es war, dieses Werk zu produzieren, und wie wunderbar es ist, dieses in jeder Hinsicht gewichtige Buch in Händen zu halten. Es gibt da nur ein kleines Problem: Man kann es nicht kaufen. Die mir vorliegende gedruckte Fassung stammt aus einer (bis heute) einmaligen und nicht über den Handel vertriebenen Erstauflage. Es ist also nichts mit dem »Coffee Table Book«.
Dafür kann man sich die PDF-Version des Buchs in drei verschiedenen Qualitätsstufen kostenlos herunterladen. Das ist schön und schade zugleich: Denn so praktisch ein kostenloses PDF ist – es wäre allemal der Mühe wert gewesen, das Werk auch in gedruckter Form (etwa als »Print on Demand«-Produkt) verfügbar zu machen. Denn es ist ein prächtiges Kompendium mit einer immensen Menge an Detailinformationen, das kaum Wünsche offenlässt. Sich das nur auf Laptop oder Tablet anzuschauen, hat einfach nicht die Qualität einer behaglichen und beeindruckenden Lektüre im Ohrensessel bei einer Tasse Tee.
Insgesamt acht Hauptkapitel behandeln nahezu jedes erdenkliche Detail dieses technischen Wunderwerks und seiner erstaunlichen Entdeckungen. Das Buch beginnt mit einer Einführung in die Infrarotastronomie und einem geschichtlichen Abriss, geht über zu den verschiedenen Beobachtungsmöglichkeiten in diesem Spektralbereich und widmet sich dann den Anfängen sowie frühen Projektphasen dieses Gemeinschaftsprojekts von NASA und DLR. Mein Lieblingsteil als »kombiniertem« Luftfahrt- und Technikfan ist das Hauptkapitel 2, in dem es darum geht, wie das Boeing 747SP-Trägerflugzeug zu einer astronomischen Beobachtungsplattform umgebaut wurde und wie die optische Ausstattung von SOFIA entstand. Danach folgt im Hauptkapitel 3 eine detaillierte Beschreibung der wissenschaftlichen Instrumente, die das Teleskop erst zu dem machten, was es war.
Ein faszinierendes, aber auch teures Projekt
In Kapitel 4, dem mit Abstand längsten Abschnitt, erfahren wir, wie der Betrieb des Flugzeugteleskops ablief, welche Art von Bodenanlagen dafür notwendig waren und was an Software gebraucht wurde. Auch über die Planung der Missionen erfahren wir Interessantes. In Kapitel 4.9 wird auch eine typische Mission des fliegenden Teleskops beschrieben. In Teil 5 lernen wir das »Deutsche SOFIA Institut« an der Universität Stuttgart kennen, in Abschnitt 6 werden noch einmal sehr detailliert die Forschungsschwerpunkte der einzelnen Instrumente beschrieben, und Hauptkapitel 7 beschäftigt sich mit dem Ausblick auf mögliche zukünftige Missionen dieser Art.
Kritik wird in diesem Buch nur sehr verhalten geübt. Lediglich in Kapitel 8 schwingt eine gewisse Frustration mit ob der hochbürokratischen Abwicklung des Vorhabens, immenser formeller Herausforderungen sowie der Kommunikationsprobleme zwischen den Vertretern der NASA und den Managern, Technikern und Wissenschaftlern des DLR sowie der Uni Stuttgart. Am Schluss gibt es einen ausführlichen Anhang mit vielen Details von der Projektchronik bis hin zur Literaturliste.
Auch über das Ende von SOFIA wird man informiert. Kapitel 4.11 berichtet auf den Seiten 278–285 über die Stilllegungsaktivitäten. Der letzte Flug führte das Flugzeug am 13. Dezember 2022 zum »Pima Air & Space Museum« in Tucson, Arizona, wo es dauerhaft ausgestellt wird. Der Hauptspiegel des Teleskops wurde an das Deutsche Optische Museum (DOM) nach Jena transferiert und kann dort besichtigt werden – wenn das Museum (vermutlich 2028) seine Wiedereröffnung feiert.
Und wenn ich vorhin »nahezu jedes erdenkliche Detail« geschrieben habe – es gibt tatsächlich eines, über das man nur in wenigen mageren Andeutungen im Buch erfährt: die Kosten. Sie waren es, die am Ende das zu frühe Aus für das Projekt bedeuteten. Die Hardware hätte noch viele weitere Jahre gehalten. Auch wenn die Gesamtkosten des Projekts nicht genau zu verifizieren sind, dürfte von der Planung bis zur Außerdienststellung über alle Phasen hinweg ein Betrag zwischen 1,2 und 1,5 Milliarden Dollar angefallen sein. Für dieses Geld bekommt man auch ein veritables Infrarotteleskop im Weltraum, das Daten im Dauerbetrieb liefert. Vor allem die enormen Unterhaltskosten von etwa 85 Millionen Dollar pro Jahr bedeuteten schließlich das Ende für SOFIA. Die NASA, die 80 Prozent der Kosten zu tragen hatte, wollte das nicht länger finanzieren.
»SOFIA – Mission infrarotes Universum« ist in jeder Hinsicht eine Rarität. – Eine komplexe, sehr ausführliche und dennoch gut verständliche und abwechslungsreiche Beschreibung einer der interessantesten astronomischen Unternehmungen der neueren Geschichte.
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