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»Sozialpsychologie des Autoritären«: Ist das noch autoritär?

Der Begriff des »Autoritären« hat sich gewandelt. Welche Erkenntnisse der Frankfurter Schule dennoch heute fruchtbar sein könnten, untersucht Markus Brunner.

Leben wir in einer Zeit, in der das autoritäre Denken wieder erstarkt? Man hört es oft, doch stimmt das? Der Soziologe Markus Brunner untersucht in diesem knapp 200-seitigen Fachbuch, wie sich der Begriff des »Autoritären« gewandelt hat.

Populär machte ihn einst die »Frankfurter Schule«, also eine Gruppe marxistisch orientierter Intellektueller um den Direktor des Instituts für Sozialforschung Max Horkheimer (1895–1973). Der Aufstieg faschistischer Bewegungen in den späten 1920er Jahren ließ etwa den Psychoanalytiker Erich Fromm (1900–1980) oder den Philosophen Theodor W. Adorno (1903–1969) fragen, wieso sich so viele Menschen einem »Führer« unterwerfen und Gewalt erdulden sowie selbst ausüben wollen. Ihre Antwort: Das bürgerliche Subjekt werde im autoritären Geist sozialisiert. Faschismus sei insofern die Fortsetzung des Kapitalismus.

Fromm sprach vom gesellschaftlich erworbenen sadomasochistischen Charakter, Horkheimer beklagte die Zurichtung des Individuums in der bürgerlichen Familie und Adorno entwarf eine Typologie des Spießbürgers, die vom »Konformisten« über den »Spinner« bis zum notorischen »Rebellen« reichte. Manche dieser Theoreme sind heute noch präsent, wie Brunner in seinem Buch aufzeigt. So beherrscht ein Opfermythos, der überall das »Diktat des linken Mainstreams« wittert, bis heute rechtspopulistische Diskurse. Und das Faktum, dass Rechte bevorzugt von Menschen gewählt werden, die unter deren Politik, würde sie von einer entsprechenden Regierung umgesetzt, am ehesten leiden würden, ist heute so richtig wie in den 1920er Jahren.

Man mag argumentieren, dass es inzwischen nicht mehr die Ideale von Gehorsam und Unterordnung sind, die Menschen in die Arme von Populisten treiben, sondern im Gegenteil ein entfesselter Narzissmus dafür verantwortlich ist. »So wie ich die Welt sehe, hat sie gefälligst zu sein – Fakten hin oder her!« Nach diesem Motto bietet sich etwa Donald Trump als vermeintlich anti-elitärer »Rebell« an, der die gute alte Zeit zurückholt.

Das Autoritäre und die sozialen Medien

Mitverantwortlich dafür ist die Veränderung unserer medialen Umwelt, sprich: soziale Medien, von deren ganz eigener Dynamik die Frankfurter Schule – trotz ihrer zeitgenössisch scharfen Medienkritik – noch nichts wissen konnte. Das gesteht auch Brunner zu. Wenn »autoritäres Denken« freilich mitunter nur im Wunsch nach einem funktionierenden Staat, sicheren Grenzen und verbindlichen Regeln für alle besteht, dann muss man wohl sagen: Das »Autoritäre« ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Auf diesem Auge ist Brunners Analyse leider blind.

Wie aktuell ist also das Konzept des Autoritären der Frankfurter Schule heute? Von einer Erziehung zu Disziplin und Gehorsam oder massenpsychologischer »Verschmelzung« –zwei Kernelemente des Autoritären laut Adorno, Horkheimer und Co. – kann heute kaum mehr die Rede sein. Dagegen bleibt eine Einsicht der Frankfurter Schule aktuell: Wer das mediale Instrumentarium seiner Zeit beherrscht, kann damit viel Macht akkumulieren.

Brunners Buch ist keine leichte Lektüre. Seine »Aktualität« bezieht sich weniger auf gegenwärtige politische Trends als vielmehr auf einen psychoanalytischen Diskurs, der allerdings häufig selbstreferenziell wirkt. So erweist sich die dichte Fachterminologie als hinderlich bei dem Versuch, Brunners Ausführungen eine Botschaft abzugewinnen. Zu oft beschränkt sich der Autor darauf, nur »Spannungen, Widersprüche und Unklarheiten« aufzuzeigen. Das abschließende Glossar zu psychoanalytischen Grundbegriffen ist immerhin eine Hilfe und sorgt für etwas Orientierung.

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