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Domestikation im Rückblick

Eine Paläopathologin beschreibt anhand von neun ausgewählten Arten, wie sich unsere Haustiere und Kulturpflanzen entwickelt haben.

Die Autorin, die als Medizinerin und Paläopathologin arbeitet, beschreibt in diesem Buch die Geschichte von Nutztieren und -pflanzen, die eine entscheidende Rolle für den Menschen spiel(t)en und seine Lebensweise massiv verändert haben. Dabei geht sie auf die Domestikation von Hunden, Rindern, Hühnern und Pferden ein, ebenso wie auf den Anbau von Weizen, Mais, Kartoffeln, Reis und Äpfeln. Die Leser erfahren anhand von von neun ausgewählten Spezies, wie sich unsere Haustiere und Kulturpflanzen entwickelt haben und wie dies wiederum Einfluss auf den Menschen nahm.

Roberts beginnt ihre Betrachtung mit der Domestikationsgeschichte des Hundes vor 12.000 bis 14.000 Jahren. Sie beschreibt, wie einige Wölfe immer mehr zu Begleitern des Menschen wurden und mittels züchterischer Selektion an dessen Wünsche angepasst wurden. Dabei macht sie deutlich, dass dies eine sehr komplexe Entwicklung war und es schwer fällt, einen genauen Punkt auszumachen, ab dem sich von Haushunden sprechen lässt und was den Canis lupus familiaris eigentlich genetisch auszeichnet.

Komplexe Wechselbeziehungen

Ferner befasst sich die Autorin damit, wie der Mensch Getreidepflanzen mittels Auslese allmählich an seine Bedürfnisse anglich und sich zugleich der menschliche Organismus so veränderte, so dass er die Gewächse besser verwerten konnte. Dies erforderte eine weit reichende Umstellung der Lebensweise, um systematisch Ackerbau betreiben zu können. Heute ist Getreide aus unserer Ernährung nicht mehr wegzudenken; umgekehrt haben wir den Getreideanbau so auf uns ausgerichtet, dass die angepflanzten Arten ohne intensive Bewirtschaftung kaum eine Überlebenschance hätten.

Ein weiteres Thema ist die Verbreitung des Haushuhns nach Europa. Detailreich legt Roberts dar, dass die Tiere verhältnismäßig spät domestiziert wurden, wahrscheinlich erst um 2000 v. Chr. Jedoch ist es äußerst schwierig, diese Entwicklung zu rekonstruieren. Wahrscheinlich liegen die Ursprünge des Haushuhns in Indien und im Nahen Osten, wie Analysen mitochondrialer DNA zeigen. Untersuchungen deuten ferner darauf hin, dass die Verbreitung des Huhns nicht wegen seines Fleischs erfolgte, sondern auf Grund seiner Eier und der veranstalteten Hahnenkämpfe.

Eingehend widmet sich die Autorin den Erkenntnissen der Archäologie, Genetik und Biologie. Dabei ordnet sie wissenschaftliche Ergebnisse stets interdisziplinär ein, um komplexe Wechselwirkungen zwischen Natur, Mensch und geschichtlichen Entwicklungen zu beleuchten. Dabei beschreibt sie unter anderem Ökosysteme, die durch menschliche Nutzbarmachung in eine Abhängigkeit von uns gerieten.

Leider geschieht das alles mitunter sehr langatmig und anhand einer überbordenden Faktenfülle , die wenig strukturiert erscheint. Zwar bemüht sich Roberts darum, das Ganze mit prosahaften Erzählungen aufzulockern, die in die Anfänge der Domestikation entführen. Darin schildert sie beispielsweise, wie das Zusammenleben von Menschen und Wölfen anfangs ausgesehen haben könnte. Doch wirken diese prosaischen Einschübe sehr beliebig und sorgen für noch weniger Struktur, zumal es oft zu inhaltlichen Wiederholungen kommt.

Trotzdem bietet das Buch einen guten Überblick über Tier- und Pflanzenarten, die heute scheinbar selbstverständlich Teil unseres Alltags sind. Roberts beleuchtet detailreich unsere Ursprünge und geht zuletzt auf die »Zähmung« des Menschen selbst ein, also darauf, wie wir an die Lebensbedingungen des modernen Kapitalismus angepasst sind. Dabei übt sie Kritik an der intensiven Landwirtschaft, an der Zerstörung von immer mehr natürlichen Lebensräumen und plädiert für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur. Das Buch lässt sich allen empfehlen, die mehr über die Wechselbeziehungen zwischen Menschen, Tieren und Pflanzen erfahren möchten, besonders vor dem Hintergrund der Sesshaftwerdung.

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