»Sternenstaub«: Die Präger unseres Weltbildes

Forschung wird von Menschen gemacht. Es ist also naheliegend, die Geschichte einer Wissenschaftsdisziplin anhand der Beiträge einzelner Forscher zu erzählen. Ben Moore hat dazu 42 Personen ausgewählt, die wesentlich zum Verständnis des Kosmos beigetragen haben. Auf jeweils rund acht Seiten stellt der Autor die Persönlichkeiten vor, skizziert ihren Lebensweg und erläutert natürlich den jeweiligen Forschungsbeitrag. Herausgekommen ist ein sehr schönes, gut lesbares, unterhaltsames und informatives Buch.
Moores Geschichte des Universums beginnt mit Eratosthenes (ca. 276–194 v. Chr., erste Messung des Umfangs der Erde) und Aristarchos von Samos (ca. 310–230 v. Chr., erste Berechnungen, wie weit Mond und Sonne entfernt sind). Dann springt Moore ins 16. Jahrhundert, in dem Nikolaus Kopernikus (1473–1543), Johannes Kepler (1571–1630) und Galileo Galilei (1564–1642) unsere Weltsicht revolutionierten. Im 17. Jahrhundert entdeckt Isaac Newton (1642–1726) die universelle Gravitation, knapp 100 Jahre später spekuliert Immanuel Kant (1724–1804) über den Ursprung des Sonnensystems, und Friedrich Bessel (1784–1846) misst als Erster den Abstand zu den Fixsternen. So weit alles erst einmal keine Überraschungen.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich dann die astronomische Forschung dramatisch beschleunigt. Galaxien, die voranschreitende Ausdehnung des Weltalls, die Nukleosynthese, Dunkle Materie, die kosmische Hintergrundstrahlung, Exoplaneten, Neutronensterne und Schwarze Löcher waren zu der Zeit unbekannt, als Albert Einstein (1879–1955) die Relativitätstheorie schuf. Heute sind sie allesamt Teil der Standardlehrwerke. Und entsprechend leicht fällt es, prominente Himmelsforscher des 20. Jahrhunderts zu benennen. Dadurch, dass sich Moore auf nicht vergebene Nobelpreise beschränkt, fehlen gerade bei den modernen Themen aber doch einige Wissensdurchbrüche, die eigentlich gut ins Konzept gepasst hätten: der direkte Nachweis von Gravitationswellen (2017), die Entdeckung von Exoplaneten (2019) oder Schwarze Löcher (2020) etwa. Dagegen kann Moore aber zum Glück Einstein und die Relativitätstheorie aufnehmen, da der ikonische Forscher den Nobelpreis 1921 für seine Beiträge zur Quantenmechanik bekommen hat. Ohne dieses Kuriosum wäre Moores Buch vermutlich nicht möglich gewesen, denn zu groß wäre die Lücke in der Geschichte des Universums.
Natürlich schummelt der Autor ein bisschen mit seinem reißerischen Untertitel. Denn Nobelpreise werden erst seit 1901 vergeben, so dass allein deswegen ein Viertel der vorgestellten Personen nicht bedacht wurde. Außerdem wurde der erste Nobelpreis zu einem kosmologischen Thema erst 1974 vergeben, davor schien die schwedische Akademie der Wissenschaften die Astronomie ausgeklammert zu haben. Dadurch fehlen nicht allzu viele Namen in Moores Buch – in gerade einmal zehn Jahren gab es nämlich Nobelpreise für astronomische Themen.
Jocelyn Bell (geb. 1943) darf in diesem Buch natürlich nicht fehlen – sie entdeckte den ersten Pulsar, wurde aber bei der Vergabe des Preises übergangen. Aber auch Moore übergeht einige Forscher, etwa Edwin Hubble (1889–1953); vielleicht am erstaunlichsten ist die Auslassung der berühmten Vorhersage des Planeten Neptun durch Urbain Leverrier (1811–1877), die umgehend durch Johann Galle (1812–1910) bestätigt wurde.
Aber aus der Diskussion in den beiden letzten Abschnitten sieht man schon: Der markante Untertitel erfüllt seinen Zweck, denn beim Lesen fragt man sich unweigerlich immer wieder: Wäre dieses Thema wirklich einen Nobelpreis wert gewesen? Und so bringt Ben Moore die Leser dazu, sich selbst eine Meinung zu bilden: Welche Menschen waren es, die unser Weltbild am meisten geprägt haben? Eine spannende Frage, eine anregende Lektüre.
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