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»Sturmnomaden«: Der Klimamigration ein Gesicht geben

Kira Vinke befasst sich mit offenen Fragen zur Migration als Folge des Klimawandels und lässt Betroffene zu Wort kommen.
Überflutungen in Nigeria

Die Folgen des Klimawandels sind schon jetzt weltweit spürbar. In Zukunft werden neben den klimatischen Veränderungen auch soziale Herausforderungen auf uns zukommen – eine davon ist die Klimamigration.

Dieses Buch beschreibt einerseits, wie Menschen an so verschiedenen Orten wie Bangladesch, den Marshall-Inseln, dem Ahrtal oder Burkina Faso durch den Klimawandel ihr Leben verändern oder sogar ihre Heimat verlassen müssen. Andererseits verdeutlicht es die globalen politischen Zusammenhänge rund um die Frage, warum Migration aufgrund des Klimawandels die Politik vor viele Probleme stellt. In den einzelnen Kapiteln verknüpft die Autorin eindrückliche Erfahrungsberichte aus ihrer Forschung mit einem fundierten Literaturüberblick. Sie erklärt, wie internationale Klimapolitik (nicht) funktioniert und welche Folgen das hat.

Migration im Kontext des Klimawandels hat verschiedene Besonderheiten und stellt die internationale Gemeinschaft vor ungelöste Fragen. Beispielsweise könnten durch den Anstieg des Meeresspiegels ganze Nationalstaaten ihr Territorium im Pazifik verlieren – werden die Bewohner dieser »Disappearing States« damit staatenlos? Oder ist es möglich, einen Staat durch Landkäufe umzusiedeln? Ein weiteres Problem: Bislang gibt es kein Recht auf Asyl für Menschen, deren Lebensgrundlage durch den Klimawandel zerstört wird. Dafür wäre es notwendig, zunächst zu definieren, ab wann ein Gebiet als durch den Klimawandel  unbewohnbar geworden gilt – doch auch diese Frage ist ungelöst. An diesen Punkten zeigt sich ebenso deutlich wie an den vorgestellten Schicksalen, dass institutionelle und rechtliche Reformen der Migrationspolitik nötig sind, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen.

Das Buch baut auf Kira Vinkes Dissertation zum Thema Klimawandel und Migration auf, für die sie weltweit an verschiedenen Orten zahlreiche Interviews geführt hat. Inzwischen ist Vinke Leiterin des Zentrums für Klima und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Wissenschaftlerin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Co-Vorsitzende des Beirats der Bundesregierung »Zivile Krisenprävention und Friedensförderung«.

Der Spagat zwischen lebendigen und empathischen Beschreibungen der Lage vor Ort einerseits und wissenschaftlichen Analysen andererseits gelingt Vinke insgesamt gut. Allerdings können die Wechsel im sprachlichen Niveau stellenweise irritieren, etwa wenn zunächst von »klirrender Kälte« geschrieben wird und wenig später von »Temperaturextremen«.

Trotz der zahlreichen Probleme und offenen Fragen rund um das Thema Klimamigration bewahrt das Buch einen angenehm nüchternen Grundoptimismus. Vinke erinnert an Beispiele aus der Geschichte, in denen die Menschheit bereits mit großen Zahlen von Geflüchteten umgehen musste. Und sie ist überzeugt: »Wenn es möglich ist, politische Mehrheiten für abwegige, hass- und angstgetriebene Ideen zu gewinnen, sollte es mit Beharrlichkeit ebenso möglich sein, gute Ideen zu popularisieren, für die sich zunächst keine Mehrheit starkmacht. Somit sollten wir den Mut aufbringen, uns für das einzusetzen, was moralisch geboten ist.« Neben den aufschlussreichen Erklärungen rund um das Problemfeld Klimamigration macht auch dieser Fokus auf Empathie und Menschlichkeit das Buch zu einer lohnenswerten Lektüre.

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