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»The Grieving Body«: Wenn der Körper trauert

Mary-Frances O’Connor zeigt, wie sehr Trauer den Körper belastet und warum das Verständnis dieser Prozesse helfen kann, heilsame Wege im Umgang mit Verlusten zu finden.

Dass man an gebrochenem Herzen sterben kann, ist für Mary-Frances O’Connor der beste Beweis dafür, dass unser Körper untrennbar mit unseren Beziehungen verbunden ist. In ihrem (englischsprachigen) Buch »The Grieving Body«, das drei Jahre nach ihrem ersten populärwissenschaftlichen Werk »The Grieving Brain« erschienen ist, widmet sich die US-amerikanische Psychologin den körperlichen Folgen von Trauer. Während sie in ihrem ersten Buch die durch Trauer ausgelösten Hirnaktivitäten im Kontext des Verlusts eines Teils des »Selbst« beschrieben hat, betrachtet sie Trauer nun vor allem als physiologische Stressreaktion. Diese verändert den Körper auf vielfältige Weise.

Anschaulich beschreibt O’Connor, wie zahlreiche Organe und Systeme auf den Verlust eines geliebten Menschen reagieren: Immunsystem, endokrines System, Herz, Lunge, Leber – und natürlich das Gehirn. Bewusst vermeidet sie Wiederholungen aus ihrem ersten Buch und zeigt stattdessen, wie etwa Entzündungsreaktionen zu dem führen könnten, was viele Trauernde als »brain fog« – also Gehirnnebel – erleben: eine Kombination aus Symptomen, welche die geistige Leistungsfähigkeit deutlich beeinträchtigen.

Eigene Trauererfahrung

Wissenschaftliche Erkenntnisse verknüpft O’Connor mit eigenen Trauererfahrungen; etwa aus der Zeit, als ihre Mutter den jahrelangen Kampf gegen den Krebs verlor und sie den Verlust ihrer eigenen Gesundheit verkraften musste – denn nicht lange nach dem Tod ihrer Mutter wurde bei ihr eine chronische Autoimmunerkrankung diagnostiziert. O’Connors Schilderungen berühren durch ihre Authentizität, bleiben dabei aber frei von Sentimentalität. Eindrücklich beschreibt sie, wie Achtsamkeitsmeditation und Selbstmitgefühl ihr dabei geholfen haben, sich von den Wellen der Trauer erfassen zu lassen – und sie dann auch wieder gehen zu lassen. Wer nach der Lektüre des ersten Teils verstanden hat, wie stark Trauer den Körper in einen Alarmzustand versetzen kann, erkennt, warum diese Techniken helfen: Sie aktivieren das »Beruhigungssystem« des Körpers und beugen Grübeleien vor, die den Heilungsprozess blockieren.

Die Autorin macht transparent, welche ihrer Aussagen durch Studien belegt und welche bislang nur Hypothesen sind. So spekuliert sie etwa darüber, ob die häufig empfundenen Schmerzen in der Herzregion nach dem Tod eines nahestehenden Menschen mit neu gebildeten Oxytozinrezeptoren in Verbindung stehen könnten, macht jedoch sofort deutlich: Das ist wissenschaftlich nicht belegt.

Jede Trauer ist anders

O’Connor wird nicht müde zu betonen, dass Trauer individuell ist. Die Wissenschaft könne zwar erklären, wie sich Trauer in den meisten Fällen äußert. Doch daraus lassen sich keine Rückschlüsse auf Einzelne ziehen. »Ich bin zwar eine Expertin für Trauer, aber Sie sind eine Expertin oder ein Experte für sich selbst«, schreibt sie. Und sie formuliert einen Appell: Wenn Menschen mit besonders starken Trauerreaktionen nachweislich ein höheres Risiko für gesundheitliche Komplikationen haben, dann müsse das Gesundheitssystem darauf reagieren und sie präventiv versorgen.

»The Grieving Body« ist eine ebenso kluge wie tröstliche Lektüre. Mit wissenschaftlicher Evidenz und Empathie zeigt O’Connor, wie das Verständnis der körperlichen Dimensionen von Trauer ein Schlüssel zu ihrer Heilung sein kann.

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