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Vom Ende der Existenz

Wie können nichtgläubige Menschen mit dem Sterben umgehen? Eine philosophische Reflexion.

»Wir werden alle sterben« ist nicht nur ein beliebter Videocast zweier Spektrum-Mitarbeiter, sondern auch ein unentrinnbares Faktum, mit dem wir uns früher oder später auseinandersetzen sollten. Der Philosoph Franz Josef Wetz bietet in diesem Buch reichlich Gelegenheit dazu. Dabei wendet er sich vor allem an jene, die Göttern oder anderen übernatürlichen Instanzen nichts abgewinnen können. Wetz, der naturalistische Positionen vertritt, lässt neben seinen eigenen Reflexionen viele Denker zu Wort kommen, die sich dem Thema über die Jahrhunderte hinweg gewidmet haben.

Dankenswerterweise verzichtet der Autor auf philosophischen Fachjargon und lockert den düsteren Stoff immer wieder mit Sequenzen aus den zitierten Originaltexten auf. Er möchte sein Buch als »Aufklärungs- und Trostschrift mit hoher lebenspraktischer Relevanz« verstanden wissen. Menschen, die ein empirisch-naturwissenschaftliches Weltbild bevorzugen und dieses konsequent zu Ende denken möchten, lässt sich der Band empfehlen. Ihn zu lesen, kostet allerdings Zeit und Kraft. Innerlich für das Thema Sterben »bereit zu sein«, ist dennoch keine Voraussetzung für eine gewinnbringende Lektüre. Bestenfalls stößt das Lesen eine konstruktive Auseinandersetzung damit an.

In fünf Abschnitten bringt Wetz uns der eigenen Endlichkeit näher. Hierbei hinterfragt er spirituelle Vorstellungen, denen selbst erklärtermaßen nichtgläubige Menschen häufig anhängen – manchmal bewusst, manchmal unbewusst. Dazu gehört etwa ein von der Religion entkoppelter Jenseits-Begriff.

Hoffen auf Unsterblichkeit

Der erste Teil des Buchs befasst sich recht ausführlich mit Religion. Bedenkt man, wer das Werk wohl in erster Linie lesen wird, hätte dieser Teil ruhig kürzer ausfallen können. Der Autor geht hier auf Vorstellungen wie die von einer unsterblichen Seele ein, in denen sich unsere Weigerung widerspiegelt, die Endgültigkeit des Tods zu akzeptieren. Wetz weist auf solche Widersprüche hin und versucht sie aufzulösen, womit er seinen Lesern zweifellos einiges abverlangt, zumal er mitunter ziemlich direkt wird. Nicht immer hat er konkrete Lösungsansätze zu bieten, obgleich seine Leser(innen) sich diese wohl am meisten von ihm wünschen.

In den folgenden Abschnitten betrachtet Wetz verschiedene Ansätze, mit dem Problem umzugehen. Manche erhoffen sich beispielsweise vom medizinisch-technischen Fortschritt eine »Quasi-Unsterblichkeit«. Andere weisen dem Tod etwas Vorteilhaftes zu, da Unsterblichkeit bei näherer Betrachtung nichts Erstrebenswertes sei. Gründe für unseren ausgeprägten Lebenswillen findet Wetz nicht nur in der Biologie, sondern sieht sie auch in Texten von Christoph Schlingensief, William Shakespeare, David Hume und anderen verarbeitet. Treffend zitiert er beispielsweise den deutschen Philosophen Hans Blumenberg mit den Worten: »Der Tod ist das Gegenteil einer Chance.«

Der Umgang mit tödlichen Krankheiten spielt ebenfalls eine Rolle in dem Werk. Was tun, wenn das Ende aufgrund einer schlimmen Diagnose plötzlich in Sicht ist? Wetz vermeidet hier, was der Sache nicht angemessen wäre: einfache Antworten. In seinen Erörterungen geht es um Demut, Akzeptanz, Melancholie und Humor, die Hilfe des Philosophierens sowie darum, das Weinen zuzulassen. Auch im letzten Abschnitt, der sich damit befasst, welcher Trost möglich ist, versucht das Buch keine Anleitung à la »Sterben leicht gemacht« zu sein. Vielmehr wirbt der Autor für eine bewusste, lebenslange Auseinandersetzung mit dem Thema – für eine Arbeit an sich selbst, zu der auch die Erkenntnis gehören kann, dass der Tod einer existenziellen Überforderung gleichkommt. Das soll aber nicht bedeuten, sich pausenlos damit zu beschäftigen: Wetz resümiert, es sei keinesfalls notwendig für ein erfülltes Leben, alle Fragen abschließend beantworten zu können, die sich mit dem Ende verbinden.

Das Buch kommt ohne Glossar aus und ist auch für Philosophie-Laien verständlich. Auf Bilder und andere Illustrationen haben Autor und Verlag komplett verzichtet, ob mit Absicht oder nicht. Zur Auflockerung hätten sie jedenfalls nicht geschadet. Alles in allem stellt der Autor einen überzeugenden Leitfaden bereit, der dabei helfen kann, sich rechtzeitig über die eigene Endlichkeit klar zu werden und sich dem Leben deshalb bewusster zuzuwenden.

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