»Trauma und Beziehungen«: Schmerz und Heilung in Beziehungen
»Trauma und Beziehungen« – bei der Lektüre dieses Buchs wird schnell klar, auf welch vielfältige Weise die Autorin Verena König die beiden titelgebenden Konzepte miteinander verbindet. Sie erläutert nicht nur, wie sich Traumata in unseren Beziehungen zeigen; sie schildert auch, wie sie in ihnen entstehen, wie sie geheilt werden können und worin sich diese Heilung ausdrückt. »Das Maß an Heilung von Traumafolgen erkennen wir daran, wie sicher, wohl und lebendig wir uns in unseren Beziehungen fühlen«, schreibt die Heilpraktikerin für Psychotherapie.
Wir sind soziale Wesen. Kinder schlafen nicht in der Stille am besten ein, sondern dann, wenn sie die Stimmen der Erwachsenen hören können. Wenn wir in Gefahr sind, suchen wir automatisch nach Bindung, noch bevor sich unsere Instinkte auf Flucht oder Kampf ausrichten. Mit unseren Sinnen können wir ein breites Spektrum feinster sozialer Signale wahrnehmen. Menschen sind auf Beziehungen ausgerichtet – deshalb liegt in ihnen nicht nur das größte Potenzial für Verletzungen, sondern auch die Chance, sich von ihnen zu befreien. Das ist die grundlegende Aussage der Autorin, der sie sich in beeindruckender Tiefe und sehr einfühlsam widmet.
Verena König schreibt über die vielen Arten menschlicher Gewalt, unter denen Vernachlässigung, besonders gegenüber Kindern, die schwerwiegendste ist; über negative Selbst-und Menschenbilder, die durch Gewalterfahrungen entstehen und in deren Folge Menschen sogar ihre eigene Daseinsberechtigung in Frage stellen können; über die Kompensationsstrategien, die wir anwenden, um mit dem Schmerz, nicht gesehen worden zu sein, zurechtzukommen, und die von übermäßiger Fokussierung auf die Bedürfnisse anderer bis hin zur Isolation von anderen reichen können; über das Bedürfnis nach Sicherheit, das all diesen Strategien zugrunde liegt; und schließlich über die echte Verbundenheit mit anderen und uns selbst, die unter all diesen destruktiven Verhaltensweisen leidet. Denn unser soziales Nervensystem wird deaktiviert, sobald unser Stammhirn und unsere Überlebensstrategien die Regie übernehmen. Dann können wir die Reaktionen unserer Mitmenschen nicht mehr richtig lesen und sehen nur die Gefahr, vor der wir flüchten wollen – selbst dann, wenn sie gar nicht mehr vorhanden ist. Wenn wir versuchen, einzelne Gefühle, etwa Angst oder Wut, wegzusperren, leidet außerdem unser gesamter Gefühlshaushalt. Es fällt uns folglich schwer, einander zu sehen, wenn wir einander nicht zeigen, wie wir fühlen. Gesehen zu werden, ist jedoch ungeheuer wichtig: »Es gibt kaum etwas Heilsameres als das Gefühl, verstanden und gesehen zu werden«, schreibt König.
Das Gefühl von Sicherheit
Auch gibt die Heilpraktikerin für Psychotherapie konkrete Hilfestellungen für Betroffene sowie deren Partnerinnen und Partner. Sie möchte es ihnen ermöglichen, dieses Gefühl nach erlebten Traumata wiederzuerlangen und sichere Bindungen einzugehen. Sie verhehlt dabei nicht, wie schwierig ein solcher Prozess sein kann, denn Menschen sind Gewohnheitstiere. Gelernte Verhaltensweisen, mögen sie noch so destruktiv sein, scheinen uns oft sicherer, auch wenn sie echte Bindungen verhindern. Außerdem zeigt sich, wie die Autorin schreibt, der alte Schmerz in Phasen der Veränderung besonders stark, auch wenn wir gleichzeitig positive neue Beziehungserlebnisse haben. Dieser Schmerz ist dann nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Heilung, wie die Coachin betont.
»Das ist kein Beziehungsratgeber« lautet eine der ersten Überschriften des Buchs. Eher solle es als Kompass auf dem Weg zurück zu einer guten Beziehung zu sich selbst und zu anderen dienen. Tatsächlich ist das Buch mehr als ein Ratgeber. Es bietet nicht nur zugängliche Erklärungen und wertvolle Tipps, sondern nimmt einen auch bei ihrer Umsetzung an die Hand. So legt es seinen Leserinnen und Lesern nach schwierigen Abschnitten nahe, einen Moment innezuhalten und sich anhand einiger gezielter Fragen der Autorin Gedanken zum jeweiligen Thema zu machen.
In einem Kapitel über gesunde zwischenmenschliche Kommunikation schreibt Verena König, dass es dabei vor allem um ein Gefühl von Sicherheit gehe. Es helfe uns zu verhindern, dass Kompensationsstrategien anstatt Menschen miteinander sprechen. Dieses Gefühl von Sicherheit vermittelt die Autorin auch selbst durch eine sehr achtsame und einfühlsame Sprache. Sie nutzt viele bildliche Vergleiche, die Perspektiven von Traumatisierten anschaulich werden lassen, und findet auch für schmerzbehaftete Themen bestärkende Sichtweisen. So fordert sie dazu auf, gegenüber den eigenen Schutzmechanismen und denen anderer gnädig zu sein, da es ja ihr Ziel sei zu helfen. Auch betont sie, dass es nie darum gehe, diese vollständig loszuwerden, sondern darum, sie zu verarbeiten und zu integrieren. Und die Autorin vermittelt die Zuversicht, dass es nie zu spät sei, offen für eine echte Verbundenheit mit sich und anderen zu werden; nie zu spät, um folgende Worte zu sagen und zu fühlen, die gemäß der Autorin als besonders heilsam gelten können: »Ich sehe dich. Ich glaube dir. Du bist nicht allein.«
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