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Die Wahrheit hinter dem Verbrechen

"Die Kriminaltechnik jagt keine Täter, sie ist auf der ständigen Suche nach der Wahrheit hinter einem Verbrechen – ungeachtet dessen, ob diese Wahrheit den Verdächtigen schließlich be- oder entlastet", beschreibt Guido Limmer das oberste Ziel des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA) in München. Der Jurist führte dort von 2009 bis 2016 die Abteilung Kriminaltechnik. In diesem Buch gibt er interessante Einblicke in die Arbeitsweise des LKA: Wissenschaftler sichern Spuren, untersuchen sie und fassen die Ergebnisse in Gutachten zusammen, die vor Gericht zu einer Verurteilung oder einem Freispruch beitragen können. Die Kriminaltechnik ist ein wichtiger Baustein in der Verbrechensbekämpfung – nur dass dabei in der Regel keine Polizisten walten, sondern Wissenschaftler diverser Fachbereiche: Chemie, Physik, Genetik, Molekularbiologie, Ballistik und Waffenkunde, Phonetik, Daktyloskopie und so weiter.

Entsprechend dieser Fachbereiche ist das Buch in dreizehn Kapitel unterteilt. Anhand jeweils spektakulärer Fällen werden die Disziplinen, ihre Möglichkeiten und Techniken vorgestellt. Insbesondere zeigt Limmer, wie passioniert die Forscher kleinsten Details auf den Grund gehen. So erzählt er, wie die Uhr eines Opfers einem Mitarbeiter einfach keine Ruhe ließ: Sie war beschädigt stehen geblieben. Der zuständige Kriminaltechniker stellte fest, dass sich zwei winzige Punkte, die exakt zu den Spitzen der Uhrzeiger passten, auf dem Ziffernblatt befanden. Sie markierten genau 1.17 Uhr – zu diesem Zeitpunkt musste ein Schlag die Uhr getroffen haben. Dies half, zusammen mit weiteren Indizien, eine angebliche Notwehrhandlung als glasklaren Mord zu enthüllen.

Widerspenstiger Zelteingang

Ein weiteres Beispiel liefert der Autor im Kapitel "Waffen", in dem er berichtet, wie LKA-Mitarbeiter nach Peru reisten, um einen Vorfall in den Anden zu rekonstruieren. Sie stellten fest, dass sich der Reißverschluss eines Zelts dort nur mit zwei Händen öffnen ließ, was die Darstellung des Täters in Zweifel zog. Schließlich wurde der Mann verurteilt.

Limmer schildert jedoch nicht nur detailliert die Aufklärungsarbeit, sondern auch die Hintergründe der Verbrechen. Spannend rekonstruiert er Motive, Planungen, Tathergänge, gegebenenfalls den Fluchthergang und die anschließende Verurteilung. Zwischenzeitlich liest sich das Buch fast wie ein Kriminalroman – bis man sich schaudernd daran erinnert, dass dies alles ja wahre Fälle sind.

Gruselig wird es, wenn der Autor Tatorte beschreibt: "Der weibliche Leichnam trägt ein olivfarbenes T-Shirt, das auf der Vorderseite aufgeschnitten wurde, einen zerschnittenen BH und weiße Socken – die Beine der toten Frau, die am Hals zwei massive Strangulationsfurchen hat, sind gespreizt." Und weiter: "Bei der Obduktion der zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten Leiche muss ein Eingriff vorgenommen werden (...): Dem Leichnam werden beide Hände amputiert und zur näheren Untersuchung ins LKA gebracht." Dort gehe es um den Nachweis eventueller Anhaftungen wie Haare, Fasern oder Hautreste des Mörders, falls das Opfer sich gewehrt hat.

Mysteriöses Spray

Bei all der Spannung kommt die Wissenschaft manchmal zu kurz. So erwähnt der Jurist bei Faseruntersuchungen nur beiläufig, dass dabei Röntgenfluoreszenzanalysen eine Rolle spielen, und dass Blutspuren in einem verdächtigen Wagen mit Luminolspray und bläulichem Licht sichtbar gemacht wurden. Leider erfährt man weder, was es mit der Röntgenfluoreszenzanalyse auf sich hat, noch, wie das Luminolspray im Detail funktioniert.

Negativ schlägt auch zu Buche, dass sechs der geschilderten Fälle aus der Zeit vor der Jahrtausendwende stammen, wodurch sich das Werk mit – aus heutiger Sicht – verstaubten Methoden befassen muss. Bei einem Mord an Studentinnen im Jahr 1993 etwa reichte die gefundene Spermaprobe entweder für eine Blutgruppenbestimmung oder eine DNA-Analyse aus, aber nicht für beides. Deshalb sicherten die Fachleute die Probe zunächst nur, um sie später mit weiter entwickelten Methoden zu untersuchen. Die Polizei konnte den Mörder so erst viel später fassen. Heute spielt die Probenmenge dank der Polymerase-Kettenreaktion so gut wie keine Rolle mehr.

Limmers Sprachstil wirkt gelegentlich pathetisch bis gestelzt: "Es ist ein ungleicher Kampf, will man meinen, insbesondere wenn man nach der Lektüre dieses Buchs erkannt hat, mit welcher Macht, Ausdauer und geballter Kraft die Exekutive zu agieren vermag." Hier dürfte dem Autor die Leidenschaft fürs Thema durchgegangen sein.

Trotz mancher Schwächen lässt das Buch einen mitfiebern, bietet einen Blick hinter die Kulissen der Kriminaltechnik und zeigt, wie die beteiligten Wissenschaftler wirklich arbeiten. Lieber(innen) der Serie "CSI" dürften hier und dort ernüchtert werden – und realistischere Vorstellungen bekommen, als die Serie sie vermittelt.

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