Direkt zum Inhalt

»Von schrumpfenden Tintenfischen und windfesten Eidechsen«: Wandern, anpassen oder aussterben?

Der Naturschutzbiologie Thor Hanson beschreibt anschaulich, wie Tiere auf den Klimawandel reagieren und was wir daraus lernen können.
Tuatara-Echsen haben nur in Neuseeland überlebt

Der Klimawandel verändert das Leben auf der Erde in rasantem Ausmaß – mit Folgen für zahlreiche Arten, die zum Teil ihre Lebensräume verlieren und dadurch neue erschließen müssen oder im schlimmsten Fall ihrem Ende entgegenblicken.

Auch der Naturschutzbiologe Thor Hanson erwähnt diese düsteren Aussichten in seinem Buch »Von schrumpfenden Tintenfischen und windfesten Echsen«. Er macht jedoch deutlich, dass sie lediglich zwei Antworten der Natur auf die derzeitigen Veränderungen sind und dabei genauso vielfältig und manchmal unvorhersehbar verlaufen können wie eine dritte Option: Anpassung an den Klimawandel und seine Folgen.

Hanson zeigt dies an faszinierenden Beispielen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den letzten Jahren beobachtet haben: wie etwa an den titelgebenden Eidechsen der Art Anolis scriptus, die auf zwei Inselgruppen in der Karibik vorkommen. Nachdem dort 2017 die Hurrikane Irma und Maria gewütet hatten, stellten der Forscher Donihue und sein Team fest, dass die überlebenden Echsen größere Haftpolster an den Zehen, längere Vorder- und kürzere Hinterbeine besaßen.

Warum hatten gerade diese Individuen den verheerenden Wirbelstürmen getrotzt? Die Forschenden versuchten dies mithilfe eines kuriosen Experiments herauszufinden. Sie richteten einen Laubbläser auf die Eidechsen, die sich zum Schutz vor dem Luftstrom an einer Stange festhielten – zumindest so lange, bis sie bei immer höher eingestellter Windgeschwindigkeit davonflogen. (Verletzt wurden die Tiere laut Colin Donihue dadurch zum Glück nicht.)

Donihue und sein Team stellten fest, dass sich Echsen mit größeren Haftpolstern und längeren Vorderbeinen besser festhalten konnten und durch ihre kürzeren Hinterbeine weniger Angriffsfläche für den Wind boten. Später beobachteten sie, dass in Gebieten mit häufigen Hurrikanen überwiegend Anolis-Eidechsen mit größeren Haftpolstern an den Zehen vorkommen. Klimabedingte Wetterextreme schienen also tatsächlich einen Einfluss auf die natürliche Selektion dieser Art genommen zu haben.

Lernen von den Tieren

Dem Autor gelingt das Kunststück, sein Thema auf sehr unterhaltsame Weise zu schildern, ohne dabei den Ernst der Lage zu verschleiern.

Von den Problemen, vor die der Klimawandel Tiere und Pflanzen stellt, können auch wir lernen, schreibt er, genau wie von ihren vielfältigen Reaktionen darauf. Mit der Veränderung unserer Lebensweise, die damit gefordert ist – wie beispielsweise der Verzicht auf unnötige Flugreisen –, hält Hanson sich relativ kurz auf. Was verzeihlich ist, denn in den Regionen, die es betrifft, dürfte das Thema inzwischen wohl den meisten bekannt sein.

Eindringlich ist sein abschließender Appell an die menschliche Gesellschaft als Ganzes, der Erderwärmung aktiv durch veränderte Lebensweisen entgegenzusteuern: eine Fähigkeit, die uns anders als allen anderen Arten auf dem Planeten gegeben ist und die Hanson in einem zum Grundton des Buchs passenden Fazit zusammenfasst: »Es wird eine nervenaufreibende und faszinierende Reise – für uns und für alle anderen Spezies auf dieser Welt. Ich hoffe sehr, dass wir es schaffen.«

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Eine Pipeline quer durch die Artenvielfalt

In einigen der artenreichsten Naturräumen Ostafrikas entsteht eine 1445 km lange Öl-Pipeline. Der daran geknüpfte erhoffte Wohlstand ist ungewiss, der gigantische Umweltschaden jedoch ohne Zweifel. Wie es dazu kam, lesen Sie in der aktuellen »Woche«. Außerdem: die Debatte um KI als öffentliches Gut.

Spektrum - Die Woche – Die Jahresuhr geht falsch

Der Klimawandel verschiebt zunehmend die Jahreszeiten. Dadurch geraten ganze Ökosysteme aus dem Gleichgewicht, Folgen für die Landwirtschaft und die Gesundheit der Menschen sind die Konsequenz der neuen Jahresuhr. Außerdem in dieser Woche: wieso der Supraleiter-Hype schon wieder entkräftet ist.

Spektrum - Die Woche – Es grünt nicht mehr in Spanien

Der Kampf ums Wasser ist auf der Iberischen Halbinsel längst entbrannt: Tourismus, Landwirtschaft und Natur konkurrieren immer stärker um das kostbare Nass. Außerdem beleuchten wir in dieser Ausgabe die Vor- und Nachteile von Milchpulver und berichten über die Psyche-Mission.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.