»Warum alles gut wird«: Optimismus als spiritueller Imperativ
Warum wird alles gut? Weil der Pessimismus nur Einbildung ist. Aber das ist auch der Optimismus! So argumentiert jedenfalls Lukas Neumeier, Quantenphysiker an der Universität Wien. Er geht nämlich von dem Prinzip aus, dass Realität immer nur beobachtete Realität sein kann, da gemäß der Quantenphysik der Prozess der Beobachtung die beobachteten Elementarteilchen bestimmt. Wissenschaftliche Forschungsergebnisse seien daher immer Simulationen. Dabei unterscheidet Neumeier – analog zur Computerterminologie von »Hardware« und »Software« – »Elementarteilchen« und »Energie«. Deren Zusammenspiel strebe, als Informationsübertragung betrachtet, nach einem stabilen Gleichgewicht, so der Autor.
Diese Überlegung überträgt Neumeier aus der Sphäre der Teilchenphysik auf den Menschen. Sowohl auf molekularer Ebene als auch auf der des Bewusstseins unterstellt er ein Streben nach Kohärenz. Die Neuronen des Gehirns als Hardware und ihre Verkoppelung über Softwareprogramme bemühten sich – wie der Mensch insgesamt – darum, sich ihre Umwelt möglichst so vorzustellen, dass sie mit dieser im Einklang leben.
Doch nicht nur Menschen, auch Tiere und Pflanzen stoßen innerhalb ihrer simulierten Umwelterfahrung häufig auf Inkohärenzen – Widerstände –, die sie im Rahmen ihrer Simulationen in Kohärenz zu verwandeln versuchen. Für den Menschen besteht diese Kohärenz darin, dass seine Vorstellungen von der Welt und von sich selbst übereinstimmen – was bekanntermaßen nicht immer der Fall ist. Das drückt sich in Umweltkrisen oder sozialen und internationalen Konflikten aus, die für viele apokalyptische Dimensionen annehmen, nämlich in pessimistischen Simulationen.
Welche Krisen auch immer, auch jene des Klimas: Neumeier blickt optimistisch auf sie, sieht sie auf dem Weg stetiger Verbesserung. Diese ergebe sich primär durch wissenschaftlichen Fortschritt, nicht zuletzt durch KI, die längst nicht nur Gefahren berge, sondern eminente Chancen, die wir Menschen nur nutzen müssten. Technologien erscheinen Neumeier als Instrumente im Dienst des Menschen.
Ist Pessimismus heilbar?
Krisen, so der Autor, entspringen dagegen primär dem Bewusstsein der Menschen, die notorisch dazu neigen, sowohl die allgemeine als auch ihre individuelle Lage negativ einzuschätzen. Just diesem weitverbreiteten Pessimismus möchte das Buch durch einen Dialog zwischen einem verzweifelten Pessimisten und einem ›wissenschaftlichen‹ Optimisten entgegenwirken. Das individuelle Bewusstsein simuliere sich und seine Umwelt, stoße dabei überall auf Inkohärenzen und fühle sich daraufhin unglücklich. Wenn es indes wie im Dialog langsam erkenne, dass es diese Inkohärenzen selbst erzeuge, eröffneten sich Auswege aus der verzweifelten Lage. Insofern mündet Neumeiers Argumentation in eine Psychologie mit Ratgebercharakter.
Freilich verdanken sich viele dieser Inkohärenzen, so der Autor, nicht nur der Simulationstätigkeit an sich, sondern entstehen angstgesteuert. Angst sei eine Anlage, die in früheren Zeiten nützlich gewesen, heute indes weitgehend überflüssig geworden sei. Sie mache nur pessimistisch. Dieser Einsicht folgend, ließen sich viele Inkohärenzen in Kohärenz verwandeln, aus schlechter werde gute Laune: das Grundprinzip von Neumeiers Psychologie.
Auch seien Simulationen seiner selbst oft durch Kindheit und Sozialisation geprägt, was den Menschen häufig nicht bewusst sei. Auch das führe zu vielen Inkohärenzen, unter denen man dann leide. Doch diesen könne man durch die Rekonstruktion der Herkunft solcher Simulationen begegnen.
Wem das nicht gelingt und wer keinen guten Therapeuten findet, dem empfiehlt Neumeier »Magic Mushrooms« – eine halluzinogene Droge, allerdings die nach Neumeier erwiesenermaßen ›harmloseste‹. Sie befinde sich lediglich auf Platz 20 einer Liste mit gefährlichen Drogen, die Alkohol und Heroin anführen. Wem das zu illegal ist, der sollte meditieren, finden sich im Buch doch eine Anleitung und ein Fallbeispiel. Dabei kann man sogar, glaubt man den entsprechenden Berichten, in einen völligen Einklang mit sich und der Welt gelangen, also in die mystische Einheit, in der alle Inkohärenzen verschwunden sind und sich die große Freude ausbreitet.
Bisher folgen diesem Beispiel nur wenige. Aber wenn das alle tun, dann muss alles, so scheint es, gut werden. Und natürlich ist Neumeier optimistisch. Freilich bewegt sich das Buch in solchen Passagen in Sphären, die mit Wissenschaft nur noch sehr wenig zu tun haben. Man fühlt sich eher an die ›Transzendentale Meditation‹ des Maharishi Mahesh Yogi erinnert, den die Beatles mal in Europa einführten und der später eine ›Weltregierung des Zeitalters der Erleuchtung‹ gründete. Von Erleuchtung schreibt auch Neumeier, wehrt sich aber gegen den Vorwurf der Esoterik und bezeichnet seine Psychologie stattdessen als »spirituell«; wenngleich sie auch der wissenschaftlichen Erkenntnis folge, dass Optimisten angeblich länger leben.
So erscheint das Buch insgesamt etwas missionarisch und ist ohne Vorkenntnisse trotz seines dialogischen Charakters etwas mühsam zu lesen.
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