»Warum wir sterben«: Für eine gesunde Altersforschung
Die Regierung unter Donald Trump hat jüngst einen systematischen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit in den USA gestartet – insbesondere gegen Klimaforschung, Sozialwissenschaften und die Gender Studies geht die neue Administration vor. Eine relativ junge Disziplin dürfte von diesem Feldzug hingegen verschont bleiben: die Altersforschung. Denn der »besondere Regierungsangestellte« der Trump-Administration, Elon Musk, hat laut Autor Venki Ramakrishnan ein besonderes Interesse daran, das Altern zu überlisten.
In »Warum wir sterben« geht der Nobelpreisträger für Chemie hart mit Prominenten wie Musk, Amazon-Chef Jeff Bezos oder PayPal-Gründer Peter Thiel ins Gericht: »Die begeisterten Tech-Milliardäre sind vorwiegend Männer mittleren Alters […] und haben ihr Geld in sehr jungen Jahren verdient. Jetzt genießen sie ihren Lebensstil und wollen nicht, dass die Party zu Ende geht.« So finanzierten sie mit horrenden Summen entsprechend lukrative Unternehmen, die eifrig danach strebten, eine Medizin gegen das Altern und Sterben zu entwickeln – und holen dafür laut Ramakrishnan oft wissenschaftliche Koryphäen in ihre Teams. Die allzu bereitwillige Beteiligung vieler Kolleginnen und Kollegen an der »Anti-Aging-Industrie« kritisiert der britisch-amerikanische Autor ebenfalls scharf.
Dabei kritisiert der Autor nicht nur die aus seiner Sicht mangelnde wissenschaftliche und unternehmerische Redlichkeit dieser »Unsterblichkeitsverkäufer« – vor allem bietet er fundierte Einblicke in die neuesten Ansätze und Errungenschaften der biologischen Forschung rund um das Altern. Die titelgebende Frage, warum wir sterben, ist dabei eng mit derjenigen verknüpft, was wir tun können, um den Tod auszubremsen, also die Gesundheit im Alter zu verbessern und unsere Lebensdauer zu verlängern.
Proteine als Schlüssel zum längeren Leben?
Im Zentrum steht dabei die Erforschung menschlicher Proteine: »Ein [...] vielversprechender Ansatz besteht darin, die altersbedingte Anreicherung ›schlechter‹ Proteine und anderer Moleküle zu verhindern, entweder indem sie erkannt oder beseitigt werden oder indem man das Tempo oder das Programm der Proteinproduktion verlangsamt oder verändert, sodass der Organismus mit den Veränderungen besser zurechtkommt.« Die biologische Forschung bestätigt dabei laut Ramakrishnan die landläufigen Ratschläge für ein langes, gesundes Leben: Es gelte, sich vorwiegend pflanzlich zu ernähren und die Zufuhr von Kalorien zu beschränken, sich ausreichend zu bewegen und genug zu schlafen. »Diese Mittel wirken derzeit besser als jede Anti-Aging-Arznei auf dem Markt, außerdem kosten sie nichts und haben keine Nebenwirkungen.«
In Zukunft länger und gesünder zu leben – Venki Ramakrishnan bezweifelt allerdings, dass auch diejenigen davon träumen dürfen, die nicht über das nötige finanzielle und ideelle Kapital verfügen, um sich entsprechend fit fürs Alter zu machen. Und auch der in vielen Gesellschaften bereits hohe und weiter steigende Anteil betagter Menschen an der Gesamtbevölkerung könnte laut dem Autor zum Problem werden: Diese Gesellschaften drohten zu stagnieren, in ihrer Haltung konservativer und damit weniger innovativ zu werden; von der absehbaren Überlastung der Rentensysteme ganz zu schweigen. Deshalb sei beispielsweise eine längere Lebensarbeitszeit vonnöten – aber auch ein stärkeres und auf gegenseitigem Respekt beruhendes Miteinander zwischen Jung und Alt.
Nobelpreisträger Venki Ramakrishnan bietet eine sowohl breit gefächerte als auch tief gehende Einführung in ein spannendes und spannungsgeladenes Forschungsfeld. Dabei vermittelt er nicht nur verständlich die biologischen Grundlagen der Alterungsprozesse und ihrer möglichen Eindämmung. »Warum wir sterben« überzeugt vor allem durch die kritische Einordnung der Altersforschung und den umfassenden systemischen Blick des Autors. Überraschenderweise wirkt die Lektüre gar nicht bedrückend, obwohl es um Tod und Sterben geht. Vielmehr ist sie dazu angetan, uns mit der Endlichkeit unseres Lebens zu versöhnen – egal ob wir sein Ende denn zukünftig werden hinauszögern können oder nicht.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben