»Wie macht man das?«: Zu Besuch in der Cornflakesfabrik
Verschlossen wie Fort Knox – so stellen sich die Autoren dieses Buchs Fabriken vor, die nicht nur Schrauben herstellen, sondern auch so interessante Dinge wie Feuerwerk, Schokolade, Barbiepuppen, Tennisbälle oder eben Cornflakes. Sie laden dazu ein, die Fertigungsanlagen für zehn Alltagsprodukte zu besuchen, die sie als große Ziegelbauten hinter stacheldrahtbewehrten Zäunen zeichnen. Wirklich großartig und einladend hat der Illustrator Pieter Gaudesaboos die Reise in die Fabriken gestaltet, die Texte hat der Bioingenieur Bart Rossel beigesteuert. Ob Münzen, Cornflakes, Christbaumkugeln – jedes Kapitel in diesem übergroßformatigen Buch startet mit einer Seite, die auf unterhaltsame Weise kurz die Geschichte des jeweiligen Produkts und seiner Erfinder vorstellt.
So wollte beispielweise Doktor John Kellogg eigentlich besonders gesunde Ernährung produzieren. Seine Cornflakes entstanden dann allerdings eher per Zufall. Er und sein Bruder Will pressten einen Teigrest vom Vortag und buken ihn. So entstanden die Maisflocken. Will entwickelte daraus später die gezuckerten Cornflakes, was ihn zu einem der reichsten Männer seiner Zeit machte. John, der auf ungezuckerte und gesunde Ernährung setzte, sprach von da an kein Wort mehr mit seinem Bruder.
Vom Maiskolben zu gezuckerten Cornflakes
Auf einer Doppelseite folgt dann ein visueller Besuch der jeweiligen Fabrik. Die einzelnen Produktionsschritte werden vorgestellt und erklärt. Vereinfacht dargestellt finden die Leser hier Fließbänder, Farbbäder, Röhren, Zahnräder oder Pressen. Bei der Herstellung der Cornflakes ist die Rüttelmaschine besonders wichtig, mit der die Körner von den Maiskolben getrennt werden. Dann folgen die Stationen, in denen der Maisbrei gekocht, zwischen zwei Riesenwalzen zu Flocken gepresst und im Ofen geröstet wird, woraufhin die Flocken dann schließlich durch die Zuckerstraße laufen. Es scheint alles sehr einfach zu sein. Anschließend folgt noch einmal eine Doppelseite mit Wissenswertem. Dort erfährt man etwa, dass die Astronauten von Apollo 11 auf ihrer Reise in den Weltraum »Kellog‘s Cornflakes« aßen und eine Studie seinerzeit ergeben hatte, dass Cornflakes klug machen; später kam heraus, dass Kellog’s selbst diese irreführende Studie in Auftrag gegeben hatte.
Das Buch erzählt aber nicht nur von all den Cornflakesarten von Marshmallow bis Zimtflakes, sondern beleuchtet auch Problematisches. Es berichtet etwa, wie Feuerwerke Vögel töten, dass Honigflakes 50 Prozent Zucker enthalten oder dass jährlich unglaubliche 360 000 000 Tennisbälle produziert werden. Meist liegen die Erfindungen, von denen das Buch berichtet, lange zurück, wie die von Gummi, Seife oder Münzen. Während im Buch in der Regel von »Wissenschaftlern« die Rede ist, wird einmal auch die Erfindung einer Frau gewürdigt: Die amerikanische Geschäftsfrau Ruth Handler hatte die Idee zur Barbiepuppe.
In den vorgestellten Fabriken ist es stets sauber, Frauen und Männer arbeiten hier mit Freude, so scheint es. Doch im Wissenstext berichten die Autoren auch mal von Kinderarbeit auf Kakaoplantagen oder vom Plastikmüll im Pazifik. Am Ende schildern sie in einem zusätzlichen Kapitel, wie das Buch entstanden ist und wie viele Menschen daran mitgearbeitet haben. Da hätte es dem einen oder anderen aus dem Redaktionsteam auffallen können, dass Glas nicht erst bei 1700 Grad Celsius, sondern schon bei 200–300 Grad weniger schmilzt; dass es auf Murano nicht nur Glasbläser gegeben hat, sondern auch Frauen diese Kunst dort schon sehr früh ausübten; dass es schräg klingt, wenn behauptet wird, amerikanische Soldaten hätten Kaugummis deswegen nach Europa gebracht, um mit jungen Frauen zu flirten; oder dass es in der Urzeit angeblich nur drei Farben gegeben haben soll, obwohl damals tatsächlich schon eine ganze Palette an Malfarben zum Einsatz kam.
Ob Tennisball, Münzen, Schokolade, Feuerwerk, Seife oder Christbaumkugeln – bei jedem Fabrikbesuch gibt es in Bild und Text viel zu entdecken. Eltern werden beim Vorlesen sicher häufig die Frage hören: »Und wie geht das?« Das Buch macht nämlich Lust darauf, mehr, immer mehr zu wissen. Außer vielleicht beim Kaugummi – denn angesichts der Erkenntnis, dass Plastikkugeln Hauptbestandteile sind und er daher auch im Magen nicht vollständig verdaut wird, wenn er runtergeschluckt wird, lässt die Lust auf den »Bubblegum« vielleicht doch etwas schrumpfen.
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