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Bienen als Stadtbewohner

In städtischen Siedlungen lassen sich Mauer-, Sand-, Schmalbienen und viele weitere finden.

»Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.« Es ist umstritten, ob Albert Einstein das wirklich gesagt hat. Außerdem setzt sich unser heutiger Speiseplan vor allem aus windbestäubten Getreidearten zusammen. Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass wir ohne Bienen auf einiges an Artenvielfalt, vor allem aber auf etliche Obst- und Gemüsesorten verzichten müssten.

Das Insektensterben ist mittlerweile ein allgegenwärtiges Thema und Petitionen wie »Rettet die Bienen« haben große öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Doch nur wenige wissen, dass zu den Bienen nicht bloß Honigbienen gehören, sondern in Deutschland rund 560 Wildbienenarten leben. Viele davon sind in urbanen Gebieten anzutreffen – man muss daher nicht aufs Land fahren, um sie zu beobachten. Janina Voskuhl, Landschaftsökologin und Naturpädagogin, und Herbert Zucchi, emeritierter Professor für Zoologie an der Hochschule Osnabrück, widmen sich in diesem Buch den Wildbienen in der Stadt. Das Werk lädt zu Erkundungstouren auf Schulhöfen, Friedhöfen und in Parks ein, um die Insekten direkt vor der Haustür zu entdecken.

Die meisten sind Einzelgänger

Wie aus dem Band hervorgeht, zählen zu den Bienen die bekannten eusozialen Honigbienen, aber auch primitiv eusoziale Bienen wie die Hummeln und ebenso Solitärbienen (Einzelgänger), zu denen sogar die meisten mitteleuropäischen Wildbienen gehören. Die Leser erfahren, dass Lebensräume in ländlichen Gebieten heute nicht mehr unbedingt vorteilhaft für die Insekten sind – bedingt durch die intensive Landwirtschaft. Städte hingegen sind wegen ihrer vielfältigen Lebensräume, ihres oft wärmeren Klimas und einer reichhaltigen Pflanzenwelt in Parks und Gärten durchaus interessante Habitate und werden vielfältig genutzt.

Das Buch befasst sich eingehend damit, wo man Wildbienen im Jahresverlauf in der Stadt entdecken kann. Die Autor(inn)en geben Exkursionstipps für den Zeitraum von Mitte Februar bis Oktober. Die Saison startet mit der Beobachtung von Honigbienen und ersten Hummelarten, im Frühlingsverlauf gefolgt von Touren zu Frühlingspelz-, Mauer- und Sandbienen. Im Sommer lassen sich Garten-Wollbienen, Masken- oder Scherenbienen entdecken. Am Ende der Saison wartet die Efeu-Seidenbiene, die man zur Efeublüte im September beziehungsweise Oktober beobachten kann.

Voskuhl und Zucchi erklären, wo man die Insekten am ehesten antrifft (etwa in Gärten, Parks oder auf Schulhöfen), wo sich deren Nester finden (beispielsweise bei Friedhofsmauern, in Kopfsteinpflaster und Totholz) und welches deren Futterpflanzen sind. Dabei erklären die Autor(inn)en auch Fachbegriffe wie »polylektisch« und »oligolektisch«, veranschaulichen sie anhand vieler Beispiele und führen ihr Publikum quasi nebenbei an solche Fremdwörter heran. Zudem verweisen sie auf weiterführende Literatur wie Bestimmungshilfen.

Die Leser lernen viel Konkretes, etwa wie sich erkennen lässt, ob Sandhäufchen in Pflasterfugen von bärtigen Sandbienen, bienenverwandten Grabwespen oder Ameisen stammen. Auch der Insektenschutz in der Stadt wird behandelt, ebenso die Auswahl geeigneter Futterpflanzen oder sinnvoll gebauter Nisthilfen. Dabei geben Voskuhl und Zucchi wissenschaftliche Erkenntnisse weiter und klären über häufig gemachte Fehler auf. Viele Nisthilfen aus dem Baumarkt beispielsweise sind ungeeignet, und nicht alles, was bunt blüht, ist auch gut für Wildbienen.

Im letzten Teil des Werks stellt das Autorenduo mögliche Wildbienenprojekte für Schulen, Kitas und Familien vor, mittels derer sich das zuvor erworbene Knowhow anwenden lässt. Diese Konzepte sind durchweg gut verständlich formuliert und führen passende Orte, benötigte Materialien und das Alter der jeweiligen Zielgruppen an. Der Band überzeugt mit fundierter und gut nachvollziehbarer Expertise über Wildbienen in urbanen Regionen. Er liefert pädagogisch sinnvolle Vorschläge dazu, wie sich Kinder und Jugendliche an das Thema heranführen lassen, und gibt viele Tipps zum Insektenschutz. Leider müssen die Autor(inn)en darauf hinweisen, dass die städtischen Lebensräume für Wildbienen ebenso gefährdet sind wie die auf dem Land – unter anderem wegen zu akkurat aufgeräumter Gärten und Parks. Man merkt Voskuhl und Zucchi an, dass es ihnen ein Herzensanliegen ist, Raum für Bienen in der Stadt zu erhalten beziehungsweise neu zu schaffen. Das Buch eignet sich für alle, die am Thema interessiert sind.

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