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»Wurzeln, Flügel, WLAN?«: Die Pubertät als Freund

Vor der Pubertät sollte man keine Angst haben, schreibt Romy Winter. Die Therapeutin und Mutter erklärt, wie Familien gut durch diese Zeit voller Umbrüche kommen.

Eine Lebensphase ist bei Eltern allseits als Schreckgespenst bekannt: »Warte nur, bis sie in die Pubertät kommen!«, heißt es gerne, wenn die Grundschulkinder gerade einträchtig miteinander im Garten spielen. Die systemische Paar- und Familientherapeutin Romy Winter, selbst Mutter dreier Kinder, möchte mit diesem Mythos aufräumen. In ihrem Buch beschönigt sie nichts – sie zeigt aber, warum Überdramatisierung nicht hilft und wie Eltern und Kinder gemeinsam die Herausforderungen bewältigen können.

Schon in der Einleitung nimmt sie all jene Eltern mit, deren Kinder bereits mit mindestens einem Bein in der Pubertät stehen. Eine persönliche Geschichte über einen streitbaren Sohn beim Familienkaffeetrinken zeigt: Nicht mal Familientherapeutinnen sind gegen die Wut der Kinder gewappnet. Und ebenso wenig gegen den Druck und die Missbilligung, die Eltern »schwieriger Jugendlicher« oft erleben. Die darauffolgenden fünf Kapitel sind gespickt mit solchen persönlichen Anekdoten, die immer wieder klarmachen: Du bist nicht allein! Gleichzeitig vermitteln sie jede Menge wissenschaftlicher Fakten und enthalten konkrete Tipps.

Von Anfang an positiv gestimmt

Im ersten Kapitel geht Romy Winter darauf ein, was sich in der Pubertät plötzlich verändert und was das für die jungen Menschen selbst bedeutet. Denn auch wenn Eltern unter ihren launigen oder gelangweilten Teenagern leiden mögen: Für die Kinder ist es oft noch deutlich schwieriger, mit all den Umbrüchen klarzukommen. Romy Winter hilft Eltern, die Perspektive zu wechseln und dadurch möglicherweise in einigen Situationen gelassener zu reagieren. Im zweiten Kapitel geht es dann sehr konstruktiv um die Wurzeln, die Erdung der Kinder: Wie fühlen sie sich innerhalb der Familie sicher? Dieser Prozess beginnt schon vor der Pubertät, ist aber in der Phase noch einmal besonders wichtig.

Genauso entscheidend ist es allerdings zu erkennen, wie viel Freiheit die Jugendlichen brauchen. In Kapitel 3 erklärt Romy Winter, warum Konflikte positiv sein können. Sie schreibt darüber, wie Eltern loslassen und gleichzeitig die Selbstständigkeit ihrer Kinder fördern können und wo die Grenzen ihrer Freiheit liegen.

Damit scheint bereits alles gesagt – aber nein, es fehlen noch einige große Themen, die oft zu Unbehagen führen und Konfliktpotenzial bergen: die digitale Welt, Sex und die Schule. Offenheit in angemessenem Maß ist, so die Autorin, auch in jenen Fragen der Schlüssel. Wie Eltern mit Herausforderungen in diesen Bereichen umgehen, wann sie unterstützen und wann sie sich eher zurückhalten sollten, beschreibt das vierte Kapitel. Abschließend folgen dann noch einige Passagen, in denen es ganz um die Eltern und ihre Gefühle geht. Denn auch das Wissen um ihre Bedürfnisse, Ängste und Hoffnungen ist wichtig für ein gutes Familienleben.

Faktenbasiertes Wohlfühlbuch

Das Buch ist von Anfang bis Ende gelungen. Es bietet genau die richtige Mischung aus Geschichten, der Beschreibung von Gefühlen, soliden Informationen und Hinweisen dazu, wann Zugeständnisse wichtig sind. Wissenschaftliche Studien ordnet Romy Winter dabei kritisch ein. Sie spricht die Ängste und Bedenken von Eltern an und gibt Ratschläge, ohne herablassend zu klingen. Gleichzeitig beleuchtet sie Probleme und Situationen von verschiedenen Seiten und betont immer wieder, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt. Insgesamt ist der Ton des Buchs eher heiter, manchmal auch etwas wehmütig, die Sprache ist leicht verständlich und angenehm. Farblich abgesetzte Übungen, Interviews und Exkurse bringen zusätzliche Abwechslung in die Lektüre und zudem großen Mehrwert.

Eine eindeutige Leseempfehlung für Eltern. Für solche mit kleinen Kindern, damit sie früh den Grundstein für eine liebevolle Begleitung legen können. Für solche mit pubertierenden Kindern, um sie dabei zu unterstützen, akute Situationen zu meistern. Und für solche mit erwachsenen Kindern, um vielleicht im Nachhinein besser zu verstehen, was in der Pubertät geschehen ist.

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