»Wurzelreich«: Das »WLAN« der Pflanzen
Einen ersten großen Entwicklungsschritt machten Pflanzen als »Lichtesser« und Sauerstoffproduzenten mit ihrem Landgang vor schätzungsweise 470 Millionen Jahren: zuvor noch frei umherschwimmende Meeresalgen, wurden sie ortsgebundene Erdbewohner. Wie ohne Wurzeln Wasser aufnehmen, wie sich vor dem Vertrocknen schützen? – Das sind nur zwei der vielen Herausforderungen, die Autor David Spencer benennt, um dann bei seiner Antwort auf die essenzielle symbiotische Beziehung von Pflanzen mit Pilzen zu verweisen. Die Gliederung seines Buchs stellt die generelle evolutionäre Entwicklung von Pflanzen zugleich in einen Zusammenhang mit ihrem individuellen Lebenszyklus: Auf die Keimung und die Bildung der Wurzeln folgt das Wachstum.
In einem seiner Exkurse geht Spencer auch auf die Mendelschen Gesetze und generell die Genetik ein. Die hier präsentierten Erklärungen lesen sich nicht unbedingt flüssig, haben aber als Basis für die später angesprochene Züchtung von Kulturpflanzen und die verschiedenen natürlichen Wege der Vermehrung von Pflanzen ihre Berechtigung.
Mehrfach beleuchtet der Autor die faszinierende Fähigkeit von Pflanzen, sich an äußere Reize anzupassen, und damit das Thema Pflanzenintelligenz. In diesem Zusammenhang spricht er unter anderem über die aktive und passive Kommunikation von Pflanzen – also über flüchtige Boten- und Aromastoffe sowie ihr Aussehen als Methode bei Lockung oder Abwehr von Bestäubern und Fraßfeinden. »Die Fähigkeit, das WLAN der Natur auszunutzen und sich zu connecten […], ist nach Ansicht der meisten Forschenden ein klares Indiz dafür, dass wir es bei Pflanzen mit intelligenten Lebensformen zu tun haben«, formuliert es Spencer. Und weiter: »Im Wurzelreich haben Pflanzen, Pilze und Bakterien ein soziales Netzwerk aufgebaut.« Forschung am Wurzelmikrobiom sei angesagt, so der Autor. Tatsächlich liegt ein Vergleich mit dem aktuell viel diskutierten Darmmikrobiom und der Darmgesundheit sehr nahe.
Gedeihen und vergehen, blühen und Saat setzen
Während Spencer den Lebenszyklus der Pflanzen weiter verfolgt, beschreibt er diverse spannende botanische Versuche. So kann der Leser seinem Weg zu der Erkenntnis folgen, dass Sonnenblumen wohl durch die Bildung von Cumarin in Wurzeln und Blättern resistent gegen Pilzbefall werden. Schade ist dann allerdings, wenn solche Versuche – wie beim Wilden Tabak – von Wikipedia abgeschrieben zu sein scheinen.
Im letzten Buchdrittel gibt Spencer vermehrt praktische Tipps dazu, wie wir selbst von der Natur lernen könnten. Beispielsweise im Kampf gegen Neophyten. Warum nicht dem Wuchern des Giersch statt mit Chemie mit dazwischen gepflanzten Kartoffeln Einhalt gebieten? Überhaupt plädiert der Autor gegen Ende seines Buchs deutlich dafür, sich auf dem Weg zu einer notwendigen ökologischen Nachhaltigkeit von Pflanzen und Pflanzengesellschaften inspirieren zu lassen. Trotz mancher Ungereimtheiten und eines übertriebenen Jugendslangs kann man insofern durchaus von der Lektüre profitieren. Sie ermutigt zu einer organisch angepassten Lebensweise: nicht mehr zu verbrauchen, als da ist; das Miteinander von Jung und Alt zu pflegen; sich an neue Gegebenheiten anzupassen; bei Bedarf neue Fähigkeiten zu entwickeln – und einiges mehr. Mit Spencers Worten: »Pflanzen halten eine Menge Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit bereit.« Stimmt!
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