Ansteckende Kontakte
"Hand in Hand schlossen sie Kreise,
und ihrer Sinne anscheinend
nicht mächtig, tanzten sie stundenlang
in wilder Raserei, ohne Scheu vor den
Umstehenden, bis sie erschöpft niederfielen;
dann klagten sie über große Beklemmung
und ächzten, als stünde ihnen
der Tod bevor."
Die Menschen, die sich so verhielten, litten unter einer "Tanzwut", die sich epidemieartig von einem zum anderen ausbreitete, wie der Medizinhistoriker Justus Hecker 1374, kurz nach dem Ende der Pest, in Aachen beobachtete. Anhand solcher Beispiele illustrieren der Mediziner und Soziologe Nicholas A. Christakis und der Politologe James H. Fowler, wie sich Emotionen von Mensch zu Mensch übertragen. Die beiden Forscher von der Harvard University und der University of California in San Diego haben in diesem Buch Dutzende Belege für die Macht der sozialen Ansteckung zusammengetragen. Ausgehend von kleinen Einheiten wie Familie oder Verein versuchen sie, die Dynamik von zwischenmenschlichen Netzen sichtbar zu machen und die Funktionsweise riesiger virtueller Netzwerke wie Facebook zu entschlüsseln: großer, weltumspannender Verbindungen "von dreitausend, dreißigtausend oder drei Millionen Menschen".
Tatsächlich gelangen Christakis und Fowler zu erstaunlichen Erkenntnissen. So stellen sie etwa das Forschungsprojekt des Soziologen Keith Hampton vor, der soziale Netzwerke in einem Vorort von Toronto analysierte. Die eine Hälfte der Befragten hatte Internetzugang, die andere nicht. Es zeigte sich, dass die Onlinenutzer mehr Nachbarn mit Namen kannten und sich häufiger mit ihnen trafen. Das virtuelle Netz zerstörte die echten sozialen Beziehungen keineswegs – es verstärkte sie sogar! Es sind der Intuition zuwiderlaufende Erkenntnisse wie diese, die das Buch spannend machen.
Die Kernthese der beiden Forscher ist aber eine andere. In sozialen Netzen, so ihre Annahme, breiten sich Gefühle, Einstellungen und Verhaltensweisen nach mathematischen Gesetzmäßigkeiten aus. Was Mitglied X fühlt, wird nicht nur durch seinen direkten Netzpartner Y beeinflusst, sondern auch von solchen, mit denen er selbst nie Kontakt hatte. Emotionen können sich im Internet fortpflanzen
Am Beispiel des persönlichen "Glücksempfindens" untermauern Christakis und Fowler diese These. Hierzu befragten sie rund 12 000 Einwohner des Ortes Framingham im US-Bundesstaat Massachusetts. Ihre statistischen Analysen offenbaren, wie sich Glück im Netz fortpflanzt: Wer mit einem glücklichen Menschen direkt in Kontakt steht, ist selbst um rund 15 Prozent glücklicher als der Durchschnitt; wer den Freund eines glücklichen Menschen kennt, ist zehn Prozent glücklicher; und so weiter und so fort...
Auch unser ästhetischer Sinn unterliegt den Gesetzmäßigkeiten der sozialen Ansteckung, wie ein Experiment des Soziologen Matthew Salganik von der Princeton University im US-Bundesstaat New Jersey zeigte. Er ließ seine Probanden auf einer Onlineplattform 48 Songs bewerten. Ergebnis: Das Urteil der ersten Besucher beeinflusste die Meinung der nachfolgenden beträchtlich. Die Vielzahl dieser Anekdoten, Fallgeschichten und empirischen Belege ist so beeindruckend, dass sich die meisten Leser von der Begeisterung der Autoren anstecken lassen werden.
Die Menschen, die sich so verhielten, litten unter einer "Tanzwut", die sich epidemieartig von einem zum anderen ausbreitete, wie der Medizinhistoriker Justus Hecker 1374, kurz nach dem Ende der Pest, in Aachen beobachtete. Anhand solcher Beispiele illustrieren der Mediziner und Soziologe Nicholas A. Christakis und der Politologe James H. Fowler, wie sich Emotionen von Mensch zu Mensch übertragen. Die beiden Forscher von der Harvard University und der University of California in San Diego haben in diesem Buch Dutzende Belege für die Macht der sozialen Ansteckung zusammengetragen. Ausgehend von kleinen Einheiten wie Familie oder Verein versuchen sie, die Dynamik von zwischenmenschlichen Netzen sichtbar zu machen und die Funktionsweise riesiger virtueller Netzwerke wie Facebook zu entschlüsseln: großer, weltumspannender Verbindungen "von dreitausend, dreißigtausend oder drei Millionen Menschen".
Tatsächlich gelangen Christakis und Fowler zu erstaunlichen Erkenntnissen. So stellen sie etwa das Forschungsprojekt des Soziologen Keith Hampton vor, der soziale Netzwerke in einem Vorort von Toronto analysierte. Die eine Hälfte der Befragten hatte Internetzugang, die andere nicht. Es zeigte sich, dass die Onlinenutzer mehr Nachbarn mit Namen kannten und sich häufiger mit ihnen trafen. Das virtuelle Netz zerstörte die echten sozialen Beziehungen keineswegs – es verstärkte sie sogar! Es sind der Intuition zuwiderlaufende Erkenntnisse wie diese, die das Buch spannend machen.
Die Kernthese der beiden Forscher ist aber eine andere. In sozialen Netzen, so ihre Annahme, breiten sich Gefühle, Einstellungen und Verhaltensweisen nach mathematischen Gesetzmäßigkeiten aus. Was Mitglied X fühlt, wird nicht nur durch seinen direkten Netzpartner Y beeinflusst, sondern auch von solchen, mit denen er selbst nie Kontakt hatte. Emotionen können sich im Internet fortpflanzen
Am Beispiel des persönlichen "Glücksempfindens" untermauern Christakis und Fowler diese These. Hierzu befragten sie rund 12 000 Einwohner des Ortes Framingham im US-Bundesstaat Massachusetts. Ihre statistischen Analysen offenbaren, wie sich Glück im Netz fortpflanzt: Wer mit einem glücklichen Menschen direkt in Kontakt steht, ist selbst um rund 15 Prozent glücklicher als der Durchschnitt; wer den Freund eines glücklichen Menschen kennt, ist zehn Prozent glücklicher; und so weiter und so fort...
Auch unser ästhetischer Sinn unterliegt den Gesetzmäßigkeiten der sozialen Ansteckung, wie ein Experiment des Soziologen Matthew Salganik von der Princeton University im US-Bundesstaat New Jersey zeigte. Er ließ seine Probanden auf einer Onlineplattform 48 Songs bewerten. Ergebnis: Das Urteil der ersten Besucher beeinflusste die Meinung der nachfolgenden beträchtlich. Die Vielzahl dieser Anekdoten, Fallgeschichten und empirischen Belege ist so beeindruckend, dass sich die meisten Leser von der Begeisterung der Autoren anstecken lassen werden.
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