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Abgucken beim Kofferfisch

Was haben Ingenieure von DaimlerChrysler mit dem Kofferfisch zu tun? Ganz einfach: Sie haben bei ihm abgeguckt. Mitarbeiter des Automobilherstellers nahmen den zu einem kofferartig-kantigen Gehäuse aus Knochenplatten verschmolzenen Schutzpanzer der Fische als Vorbild für eine Designstudie eines neuen Fahrzeugmodells. Die Ingenieure aus Stuttgart sind derweil nicht die einzigen Forscher, die Baupläne und Strategien von Tieren aufgreifen, um neue technische Produkte und Verfahren zu entwickeln: Roboter werden nach belebten Vorbildern konstruiert, Fledermäuse geben Aufschluss über die Nutzung von Schallwellen, Hirschgeweihe und Hühnereier helfen Wissenschaftlern neuartige Materialien zu entwerfen. Lebewesen inspirieren somit die Forscher und zeigen Ihnen Wege auf, Naturkräfte effizient und umweltfreundlich zu nutzen. Das ist – gerade in Zeiten knapper werdender Ressourcen und immer neuer technischer Anforderungen – ein zukunftsweisendes und spannendes Forschungsfeld.

Robert Allen, Professor für Biodynamik und Steuerung am Institut für Schall- und Vibrationsforschung der britischen Universität Southampton und Gründungsherausgeber der Fachzeitschrift "Bioinspiration and Biomimetics: Learning from Nature" hat in seinem Buch "Das kugelsichere Federkleid" fünf namhafte amerikanische und britische Wissenschaftler versammelt, die in einzelnen Kapiteln darlegen, wie moderne Technik von natürlichen Vorbildern profitieren kann. Die Kapitel behandeln auf jeweils zwanzig Seiten die Themen Meeresbiologie, Robotik, Hydrobioakustik, kooperatives Verhalten, Wärme- und Flüssigkeitsströmung sowie Materialkunde und natürliches Design.

Jedes Kapitel ist wiederum in mehrere handliche Abschnitte gegliedert, die einzelne Forschungsfelder, Ideen und historische Ansätze zu den Großthemen vorstellen. Die Texte sind verständlich geschrieben und werden durch zahlreiche Farbfotos und Grafiken mit ausführlichen Unterschriften ergänzt, die es ermöglichen, das Werk auch als eine Art Bilderbuch quer zu lesen. Dass die Themen hochaktuell sind, zeigt nicht zuletzt, dass die Robotikforschung von Yoseph Bar-Cohen vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena auch jüngst im "SPIEGEL" vorgestellt wurde. Bar-Cohen arbeitet an künstlichen Robotermuskeln aus elektroaktiven Polymeren und lässt für Tests seine Technikwesen schon mal im Armdrücken gegen menschliche Probanden antreten.

Bei aller Aktualität und Anschaulichkeit hat das Buch allerdings auch eine Schwachstelle. Die Themen werden nicht tiefer behandelt; viele Abschnitte machen Lust auf mehr, enden jedoch unvermittelt nach eher allgemeinen Darstellungen. Dem Leser eröffnet sich so ein zwar spannender, doch oberflächlicher Einblick in die Biomimetik. Das Buch eignet sich damit vor allem für Leser, die zuvor noch nicht über die zahlreichen Anwendungsgebiete des Forschungsfelds nachgedacht haben. Bereits mit der Thematik vertrauten Lesern wird es einige überraschende Einsichten, aber keinen grundsätzlichen Erkenntnisgewinn liefern. Das Gesamtfazit fällt dennoch positiv aus. Denn wer hätte gedacht, dass Seegurken und Schleimaale dem Menschen zeigen können, wie man kugelsichere Westen herstellt?

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