Direkt zum Inhalt

Erleuchtete Mörder

In der Schule war er entweder Musterschüler oder Sonderling – oder beides. Der britische Autor James Webb hat mit unglaublicher Sorgfalt und Hingabe alles aufgetrieben und durchgeackert, was es an okkultistischen Texten ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts zu finden gibt: verloren geglaubte Briefe, zweifelhafte Broschüren, obskure Zeitschriften und natürlich viele, viele Bücher.

Gestützt auf seine Quellen gelang es Webb, so manche verborgene Verbindung nachzuzeichnen: Wir erfahren, wie der "okkulte Untergrund" nach und nach Eingang ins Establishment fand, wie "erleuchtete" Geheimbündler den Lauf der Welt beeinflussten oder es zumindest versuchten: Es war immerhin eine Pariser Okkultistin, welche die infamen "Protokolle der Weisen von Zion" – den angeblichen Beweis für eine jüdische Weltverschwörung – Anfang des 20. Jahrhunderts nach Russland brachte, von wo das Pamphlet seinen bis heute andauernden Siegeszug durch antisemitische Zirkel antrat.

Zu keiner Zeit aber war der Einfluss von Okkultisten und ihren Lehren auf die Politik so groß wie während des "Dritten Reichs": Während SS-Männer Millionen Menschen in ihren Lagern ermordeten, feierten ihre Kameraden Feste in ihrer bizarren Ordensburg und träumten von der Erschaffung eines neuen "arischen" Kults.

Als Webb seine Arbeiten veröffentlichte, waren akademische Einrichtungen noch nicht an Themen dieser Art interessiert. Und den Esoterikern war der skeptische Denker in der Tradition der schottischen Aufklärer zu distanziert. Er nahm sich 1980 enttäuscht und verarmt das Leben, mit nur 36 Jahren. Erfreulich immerhin, dass nun ein erster Band seines Werks in deutscher Sprache erschienen ist. Weitere sollen folgen.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen
epoc 01/2009

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.