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Einführung in die Raumsondentechnik

Dieses Buch erhebt den Anspruch, eine umfassende Einführung in ein weithin ziemlich stiefmütterlich behandeltes Thema zu geben: die Technik interplanetarer Raumsonden. Üblicherweise gehen selbst die Fachpresse und allemal die allgemeinen Medien fast ausschließlich auf die wissenschaftlichen Ergebnisse ein, jedoch nie auf die Ingenieursleistung, die es erst möglich machte, dass diese Ergebnisse erbracht werden konnten.

Beim ersten Durchblättern wirkt das Buch fast schon wie ein Lehrbuch für Studenten der Raumfahrttechnik. Es ist in acht Hauptkapitel gegliedert, die jeweils vertieft ein Themengebiet abhandeln: Funkkommunikation, Bahnbestimmung und ein wenig Bahnmechanik, Lageregelung, Antrieb, weitere Subsysteme interplanetarer Sonden, wissenschaftliche Experimente, Missionsablauf und ein kurzer Ausblick auf die Zukunft. Der Autor Dave Doody ist Ingenieur beim Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena/Kalifornien, das viele ambitionierte planetare Missionen der USA durchführt. Ferner enthält das Buch sechs ausführliche Anhänge. Sie enthalten Details einiger Raumsonden und Bordinstrumente, Daten zu unterschiedlichen Bereichen im Sonnensystem, die Beschreibung des elektromagnetischen Spektrums sowie die Chronologie der astronomischen und planetaren Forschung sowie ein Glossar.

Die ersten vier Kapitel beginnen mit kurzen Geschichten aus der Praxis des Betriebs von Raumsonden, die vermitteln, wie spannend eine Weltraummission sein kann, dabei aber zielsicher zum Kern der Sache führen. Hieraus entwickelt sich eine gegliederte Darstellung der diversen physikalischen und technischen Aspekte der Materie.

Der Autor beschreibt die in seinem Werk vermittelte Information als "eher breit als tief". Gerade das erste Kapitel enthält aber physikalische Formeln, Diagramme und Zahlenmaterial, die in rein populärwissenschaftlichen Werken nicht zu finden sind. Behandelt werden hier unter anderem das Mikrowellenspektrum, die verschiedenen Effekte, die zur Signaldämpfung beitragen, die Berechnung des Rauschabstands, die Technik der Verstärker und anderer elektronischer Bauteile an Bord und in der Bodenstation, Modulationsverfahren, Fehlerkorrektur, Datenkompression und Datenstruktur – was deutlich über einen groben Überblick hinausgeht.

Natürlich kann man nicht erwarten, dass ein Buch einen vollständigen Überblick über ein so weites Feld wie das der interplanetaren Raumsonden gibt. Zwangsläufig müssen Einzelaspekte knapp zusammengefasst oder weggelassen werden. Ich hätte dabei einzelne Prioritäten anders gesetzt als der Autor. Hierzu einige Beispiele: Im zweiten Kapitel des Buchs wird ausführlich auf die Bahnbestimmung der Bahn der Raumsonde eingegangen. Dies wird sehr anschaulich am Beispiel der wegen eines Navigationsfehlers gescheiterten NASA-Marsmission Mars Climate Orbiter aufgezogen. Die diversen Messtypen Dopplerverschiebung des kohärenten Signals, Entfernungsmessung, Interferometrie, optische Navigation, erläutert der Autor detailliert, ebenso die zugrunde liegenden Koordinatensysteme und mögliche Messfehlerquellen. Wie daraus aber eine Bahnbestimmung wird, dies wird im Buch sehr knapp und wenig anschaulich abgehandelt. Ich fürchte, dass viele Leser diesen Abschnitt nicht verstehen werden.

In Kapitel 3 geht Doody auf die Lageregelung ein und nennt dabei die zwei fundamentalen Unterklassen der spinstabilisierten und dreiachsenstabilisierten Raumsonden. Er gibt einige Beispiele für spinstabilisierte Sonden an – die zur Stabilität der Rotationsbewegung notwendigen Bedingungen erwähnt Doody dabei jedoch mit keinem Wort. Ferner bespricht der Autor das vielleicht wichtigste Instrument zur Lagebestimmung, die "Stellar Reference Unit", nur recht knapp und oberflächlich. Da hätte ich mehr erwartet, weil moderne Sternsensoren ebenso wichtige und unverzichtbare Komponenten sind wie die anschließend ausführlich beschriebenen Gyroskope.

Für wen ist "Deep Space Craft" interessant? Insbesondere Wissenschaftler und Ingenieure, deren Tätigkeit mit der interplanetaren Raumfahrt zu tun hat, werden das Buch zum Schmökern und Nachschlagen, aber auch als praktische Sammlung relevanter Literaturquellen zur weiteren Vertiefung nutzen. Dies gilt auch für Studenten der Ingenieurs- und Naturwissenschaften.

Möglicherweise werden auch ernsthafte Raumfahrtenthusiasten zu diesem Buch greifen. Es ist so aufgebaut, dass man es nicht von vorn bis hinten durchgelesen haben muss. Man kann Abschnitte, die einen überfordern, einfach überspringen. Der Stil ist verständlich und flüssig, und die zahlreichen Geschichten aus dem wirklichen Raumfahrtbetrieb sind interessant und sogar packend. Allerdings setzt so ein Werk schon ein beträchtliches technisches Grundwissen voraus, Hobby- Astronomen werden schnell überfordert sein, wenn sie keinen technischen Hintergrund mitbringen.

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  • Quellen
Sterne und Weltraum 5/2010

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