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Dicke Haut, gebrochene Herzen

Körper und Seele hängen eng zusammen – das weiß der Volksmund schon lange. Geht es nach ihm, haben wir Bretter vor dem Kopf, leiden an einem gebrochenen Herzen, kämpfen mit Angstschweiß, kriegen kalte Füße und sehen manchmal ganz schön alt aus.
Doch was ist dran an den Redensarten, die teils schon seit dem Mittelalter kursieren und munter Auskunft über unsere Gefühle und ihre körperlichen Symptome geben? Dieser Frage geht der Journalist Walter Schmidt – ein studierter Geograf – in seinem Buch nach. Sortiert nach Organen, Körperteilen und Sinnesleistungen nimmt er flotte Sprüche unter die Lupe und lässt dabei immer wieder Fachleute zu Wort kommen.
So erfährt der Leser, dass das Herz zwar nicht wörtlich vor Freude hüpfen kann, aber durchaus mit zusätzlichen Schlägen oder kleinen Aussetzern reagiert, wenn wir ganz besonders glücklich sind. Das seien aber harmlose Rhythmusstörungen, erklärt der Mediziner Jochen Jordan, Leiter der Klinik für Psychokardiologie in Bad Nauheim. Auch bricht das Herz nicht im leibhaftigen Sinn – selbst wenn Mediziner von Herzbruchattacken nach schockierenden Ereignissen sprechen. Tatsächlich mache es in extremen Stresssituationen aber so etwas Ähnliches wie einen Infarkt durch, so der Wiener Kardiologe und Psychotherapeut Georg Titscher: Stresshormone ließen den Pumpmuskel zusammenkrampfen und lähmten ihn gar kurzzeitig. Schwer werde das Herz dagegen nicht – dieses Gefühl mag eher von verspannten Atemmuskeln herrühren oder daher, dass sich seelische Belastungen als Stein auf der Brust bemerkbar machen.

Dickhäuter sind in Wahrheit sehr sensibel
Medizinisch fundiert ist auch die Redewendung vom dicken Hals: Wut lässt zwar nicht wirklich unseren Kragen platzen, doch bei Ärger steigt der Blutdruck, und der Hals schwillt an, weil die Venen hervortreten, so Roland Laszig, ärztlicher Direktor der Hals-Nasen-Ohren-Klinik am Uniklinikum Freiburg. Wer dann einen gestärkten Stehkragen trägt, könnte sich in seiner Kleidung tatsächlich beengt fühlen. In Sachen Dickhäuter irrt der Volksmund allerdings gewaltig: Es genügt schon ein Pikser mit einer Reißzwecke, um einen Elefanten in Panik zu versetzen, wie Wolfram Rietschel, Tierarzt im Stuttgarter Zoo Wilhelma, weiß. Die Haut der grauen Riesen ist nämlich äußerst sensibel, stark durchblutet und mit feinen Tasthaaren ausgestattet. Von dieser Hülle prallt nicht viel ab – mit der sprichwörtlichen Elefantenhaut ist es also nicht weit her.
Walter Schmidt schaut in seinem Buch Dr. Volksmund aufs Maul und prüft den Wahrheitsgehalt unserer Redensarten. Ganz nebenbei steuert er eine Menge Allgemeinwissen über unseren Körper und seine Funktionen bei. Fazit: informativ, kurzweilig und absolut lesenswert!

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  • Quellen
Gehirn&Geist 10/2010

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