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Die besten Geschichten schreibt das Leben selbst...

Am 13. März 1781 entdeckte Friedrich Wilhelm Herschel eher zufällig einen „Nebelstern, möglicherweise ein Komet“. Wenig später stellte sich heraus, dass es sich um einen neuen, den sechsten Planeten handelte: Uranus. Zu dieser Zeit waren viele Mathematiker damit beschäftigt, sog. Planetentafeln zu berechnen, die es erlaubten, die Positionen aller bekannten Planeten an der Himmelssphäre zu jedem beliebigen Zeitpunkt abzulesen. Und alle Planeten hielten sich daran...bis auf Uranus. Seine Himmelsbahn wich nach einiger Zeit immer mehr von der vorausberechneten ab und wieder war eine neue Planetentafel notwendig....John Adams Couch, ein junger englischer Mathematiker, wurde von diesem Problem magisch angezogen: er war der Meinung, dass eine bislang unentdeckte Gravitationsquelle Uranus von seiner „normalen“ Bahn ablenken würde, ein bislang nicht beobachteter siebter Planet. Doch nicht nur er kam auf diese kühne Idee, auch ein französischer Mathematiker, Urbain Jean-Joseph Le Verrier, wagte sich an diese mathematische Herausforderung mit 279 Gleichungen.Beide Forscher wussten nichts von dem Vorhaben des anderen, beide wählten unterschiedliche Vorgehensweisen und beide kamen fast gleichzeitig zum selben Ergebnis: ja, die Bahnabweichungen des Uranus lassen sich durch die Existenz eines weiteren Planeten erklären. Entdeckt wurde Neptun schließlich von Johann Gottfried Galle, einem Mitarbeiter der Berliner Sternwarte, der auf Drängen Le Verriers am Abend des 23.September 1846 sein Teleskop auf den Himmelsbereich lenkte, wo der vermeintliche Planet zu finden sei — und er fand ihn! Die Engländer, die schon längere Zeit vorher mehr oder weniger heimlich den entsprechenden Himmelsbereich abgesucht hatten, gingen leer aus. Doch wer hatte den Planeten nun als erster „entdeckt“, da seine Existenz doch zuerst auf dem Papier nachgewiesen wurde...Naivität auf der einen und akademischer Klüngel, Eigeninteresse und Traditionsgebaren auf der anderen Seite machen die ganze Geschichte um die Entdeckung Neptuns zu einer wa(h)ren Kriminalgeschichte. Das Drehbuch dazu schrieb Sir George Biddell Airy, der führende Astronom Englands und Leiter der Könglichen Sternwarte. Er sammelte — wie es seine Art war — alle Briefe, Zeitungsausschnitte und andere Dokumente, die mit der Entdeckung des Neptuns zu tun hatten, ließ sie binden und legte die so entstandene Akte Neptun im Archiv der Königlichen Sternwarte ab. Lange Zeit galt sie als verschollen, tauchte dann aber 1999 in Chile auf.Tom Standage (Wissenschaftsredakteur bei Economist, vorher bei Daily Telegraph, Wired, Guardian, Independent) machte aus diesen und anderen Originalaufzeichnungen ein phantastisches Buch, ein Sachbuch (eher Kriminalroman) nicht nur für Astronomen, sondern für alle, die sich mal auf etwas „historisches“ einlassen wollen. Die (Wissenschafts-) Geschichte bleibt über knapp 200 Seiten unglaublich spannend. Einziger kleiner Wehrmutstropfen ist das Ende des Buches, wo Standage sich mit heutigen Planetenjägern und deren Handwerkszeug auseinandersetzt. Diese Kapitel passen zwar thematisch zum vorhergehenden Text, wirken aber leider wie Lückenfüller.Der Leser wird im Anschluss aber wieder versöhnt durch die zu allen Kapiteln verfassten Anmerkungen von etwa einer halben Buchseite pro Kapitel, die wieder sehr lesenswert sind. Ein ausführliches Quellenverzeichnis sowie ein Personen- und ein Sachregister runden das gelungene Werk schließlich ab.

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