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Die antisoziale Persönlichkeitsstörung

Was passiert, wenn man Psychotherapeuten verschiedener Schulen die Fallgeschichte eines Mannes mit antisozialer Persönlichkeitsstörung präsentiert und sie befragt, wie er am besten zu behandeln sei? Man erhält eine Sammlung unterschiedlichster Blickwinkel und Zugangsweisen und darüber hinaus die Möglichkeit, diese anhand eines konkreten Fallbeispiels praxisnah zu vergleichen. So geschehen in diesem beachtenswerten Buch, welches lediglich versucht, "in kleinem Maßstab ein Diskussionsforum" bereitzustellen.

Während bereits verhältnismäßig viel Literatur dazu existiert, wie Persönlichkeitsstörungen entstehen und wie häufig sie sind, wurde ihre Behandlung bislang eher vernachlässigt. Dies trifft insbesondere auf die antisoziale Persönlichkeitsstörung zu – möglicherweise auch deshalb, weil sie häufig als "untherapierbar" gilt und daher alles andere als beliebt ist.

Schuld sind die Charakteristika des Störungsbilds: Bereits im Kindes- und Jugendalter beginnen die Betroffenen zu lügen und zu stehlen sowie weitere Regeln des sozialen Miteinanders zu brechen. Im Erwachsenenalter missachten sie die Bedürfnisse und Rechte anderer Menschen, manipulieren, reagieren impulsiv und aggressiv, zum Teil auch gewalttätig. Ihre Therapie ist zeitaufwändig, als Patienten sind sie anstrengend – und manchmal sogar Furcht einflößend.

Fernab von Auseinandersetzungen um Etiketten wie Psychopathie, Soziopathie oder eben, wie es das diagnostische Manual "DSM-IV" formuliert, die antisoziale Persönlichkeitsstörung, gelingt es diesem Herausgeberband, einen Blick auf das Wesentliche zu werfen: Was tun, wenn Patienten mit diesem Syndromkomplex einen Therapeuten aufsuchen? Jeder der Autoren stellt zunächst seine Methode vor und berichtet über seine Herangehensweise an den geschilderten Fall.

Während etwa der individualpsychologisch arbeitende Therapeut den Schwerpunkt darauf legt, Empathie und Optimismus zu fördern, sehen seine dialektisch- behavioral ausgerichteten Kollegen das Problem vor allem in der mangelnden Verhaltenskontrolle. An dieser arbeiten sie unter anderem, indem sie die Patienten darin trainieren, ihre Emotionen besser in den Griff zu bekommen.

Zu Wort kommen neben diesen beiden Schulen auch unbekanntere wie der "Lebensstil-Ansatz" und die "Personologische Psychotherapie". Ein weiteres Kapitel widmet sich der Kombination von medikamentöser Behandlung und Psychotherapie. Obwohl die Qualität schwankt, vermitteln die Beiträge einen differenzierten Gesamteindruck, der bei Fachleuten Interesse auch an anderen als der eigenen therapeutischen Orientierung wecken dürfte.

Ein abschließendes Kapitel fasst die Erkenntnisse der verschiedenen Ansätze zusammen, würdigt ihre Schwerpunkte und stellt sie einander gegenüber. Der Leser erhält also kein abschließendes Ergebnis, sondern bleibt mit den gewonnenen Einsichten allein. Doch wahrscheinlich ist es genau das, was die Herausgeber bezwecken: Eine Umschau über die Alternativen, die Lust auf mehr macht und die Hoffnung weckt, auch bei diesem gefürchteten Störungsbild einen Erfolg versprechenden Ansatz zu finden.

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  • Quellen
Gehirn&Geist 12/2007

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