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Prächtige Entdeckungen

Es ist eine verwunschene Dschungelwelt, durch die sich Abenteurer und Entdeckungsreisende in Sachen Archäologie schlagen: Allenthalben stoßen sie auf die von Lianen und Gesträuch überwucherten Überreste einer lange untergegangenen Kultur, deren steinerne Zeugnisse heute allenfalls noch von den Tieren des Waldes besiedelt werden. Doch wer die Welt der Maya entdecken möchte, muss nicht mehr unbedingt den Regenwald Mexikos oder Guatemalas durchstöbern, denn viele Ziele wurden schon für Touristen erschlossen.

Aber auch wer sich nicht gleich auf die Reise nach Übersee machen möchte, hat die Möglichkeit, die sagenhafte Welt der indianischen Hochkultur eindrucksvoll kennen zu lernen: mit dem reich bebilderten Buch "Die Maya" von Éric Taladoire, Professor für präkolumbianische Archäologie an der Universität von Paris, und Jean-Pierre Courau, der sich als Fotograf auf die Maya-Kultur spezialisiert hat.

Schon das Titelbild des Werks macht Lust auf mehr – es zeigt in Nahaufnahme das in Jade geschnitzte Antlitz eines Maya, das ihm als Totenmaske ins Grab beigegeben wurde. In dieser bildlichen Pracht geht es weiter: Historische Schwarzweißaufnahmen früher Forscher wechseln sich ab mit Aufnahmen von Gemälden und Farbfotografien von Kunstwerken oder berühmten Stätten der Maya wie Palenque, Tikal oder Tolum. Vielfach nehmen die Bilder die gesamte Seite oder Doppelseite im Buch ein, sodass sie besonders gut zur Geltung kommen.

Die dazugehörigen Texte sind ebenfalls lebhaft, und man merkt dem Autor seine Begeisterung für die Hochkultur deutlich an, so enthusiastisch, ja blumig, ist seine Sprache mitunter. Auch deshalb liest sich das Buch spannend.

Ungenauigkeiten schleichen sich allerdings bei der Beschreibung der Umwelt der Maya ein, die womöglich nicht nur dem Geografen etwas säuerlich aufstoßen – so werden die Hurrikane der Karibik zu Tornados herabgestuft, die es dort eigentlich nicht gibt, oder er bezeichnet die Vegetation der Region als sekundäre Urwälder, was ein Widerspruch in sich ist. Vielleicht sind diese – in diesem Falle tatsächlich eher marginalen – Schludrigkeiten aber auch einer nicht korrekten Übersetzung geschuldet.

Aber eigentlich geht es in "Die Maya" nicht um die Beschreibung des mesoamerikanischen Naturraums, sondern um die Geschichte eines Volkes und seiner Kultur, die über lange Jahrhunderte die Geschicke eines großen Teils von Mittelamerika bestimmten. Ihnen nähert sich Taladoire in sechs Hauptkapiteln, denen eine umfangreiche Einleitung vorangeht, in der die Entdeckungsgeschichte rund um die Maya, ihre Heimat, ihre Völker und ihre Historie kurz und einprägsam vorgestellt werden.

Ausführlicher widmet sich der französische Archäologe anschließend der Schrift der Maya, deren Ursprünge wohl schon in die Zeit der Olmeken – auch als Mutter der Hochkulturen der Region bezeichnet – zurückreichen. Ihre zahlreichen Symbole zieren Stelen und Tempelwände, und trotz beachtlicher Fortschritte der Wissenschaft harren noch viele Texte der Maya ihrer Übersetzung und Interpretation.

Breiten Raum nehmen ebenso die Herrschaftsstrukturen und die Religion des Volkes ein, die eigentlich nie ein richtiges Reich oder ein einziges Staatswesen bildeten wie andere dynastische Hochkulturen. Vielmehr gründeten ihre Völker einzelne Stadtstaaten oder Fürstentümer, die untereinander konkurrierten und sich gegenseitig wieder und wieder in Kriegen verstrickten: Den Niedergang einzelner Königshäuser begleitete immer auch der Aufstieg anderer Städte zu Machtzentren.

Die Herrscher dieser Einheiten bildeten zugleich die erste Instanz der Götter auf Erden: Sie bewahrten die Insignien der religiösen wie weltlichen Macht auf. Wegen ihrer teils blutigen Opfergaben gelten die Religionen der präkolumbianischen Hochkulturen oft als brutal, doch liegen ihnen komplizierte und durchdachte Rituale zu Grunde. Sie faszinieren heute noch, und viele ihrer Elemente haben die Jahrhunderte der Missionierung überdauert und sind inzwischen sogar Bestandteil des katholischen Glaubens der Nachfahren der Maya geworden.

Sichtlich beeindruckend und das deutlichste Zeugnis der Maya sind jedoch ihre zahlreichen Tempel, Pyramiden und Grabmäler in den Wäldern und Hochlagen von Guatemala, Mexiko, Honduras und Belize. Ihrer Architektur und Planung widmen Taladoire und Courau daher selbstverständlich ebenfalls ein ausführliches Kapitel – ebenso wie der ausgeklügelten Wirtschaft des Volkes, das weit reichende Handelsbeziehungen in Mexiko und Zentralamerika pflegte.

Den Abschluss des Buches bildet ein kleiner Ausblick auf das heutige Leben der Maya-Nachfahren, die in verschiedenen Volksgruppen noch immer in Chiapas, auf der Yucatan-Halbinsel oder in Guatemala leben. Dieser Brückenschlag in die Gegenwart kommt leider etwas zu kurz und verklärt darin auch noch ein wenig die Zapatisten-Bewegung in Südmexiko, die sich mit dem Ziel, eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Indianer zu erreichen, seit 1994 gegen den Staat auflehnt.

Allerdings sind dies ebenfalls nur Petitessen in einem insgesamt sehr gelungenen Buch. Mit seiner Kombination aus eindrucksvollen Fotografien und leicht verständlichen Erläuterungen schließt es trefflich eine Lücke im deutschsprachigen Raum, die sich seit dem Auslaufen von "Maya. Gottkönige im Regenwald" von Nikolai Grube hierzulande aufgetan hat. Nicht nur Fernreisenden in Sachen Kultur sei es sehr empfohlen.

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