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Verheimlichte Daten

Die Medizin steht am Abgrund. Arzneimittel werden von denen getestet, die sie Gewinn bringend verkaufen wollen. Ungünstige Ergebnisse verschwinden in der Schublade. Positive Daten gelangen aufpoliert und verfälscht in die Öffentlichkeit. Am Ende wissen weder Ärzte noch Patienten, welche Wirkungen und Nebenwirkungen ein Medikament tatsächlich hat.

Ben Goldacre zeichnet in seinem neuen Buch ein düsteres Bild vom globalen Arzneimittelmarkt. Der Titel "Die Pharma-Lüge" klingt provokant – doch wer seine Thesen so kenntnisreich untermauert wie Goldacre, darf ruhig provozieren. Auf rund 400 Seiten beschreibt der britische Arzt und Medizinjournalist fundiert die Probleme bei der Medikamentenzulassung in Europa und den USA. Stets auch für Laien verständlich, gewährt er tiefe Einblicke in die verschiedenen Zulassungsprozeduren und in medizinische Studien. Er hinterfragt die bestehenden Richtlinien und Regeln und erklärt, warum die meisten nicht dabei helfen, Ärzte und Patienten transparent über Arzneimittel zu informieren.

Das Hauptproblem sieht Goldacre in fehlenden Daten. Denn viele Studien werden zwar durchgeführt, ihre Ergebnisse aber nie veröffentlicht. Besonders oft trifft das auf Versuche mit negativem Resultat zu – etwa solche, die den Nutzen des getesteten Medikaments nicht belegen. Für die Medizin ist das fatal, argumentiert der Autor. Denn dadurch werde das Gesamtbild von Wirkungen und Nebenwirkungen verzerrt.

Zwar führt Goldacre konkrete Beispiele an, bei denen namhafte Arzneimittelhersteller zahlreiche vermeidbare Todesfälle zu verantworten hatten. Das Buch zeigt dennoch nicht nur mit dem Finger auf die "böse Pharmaindustrie". Es klagt ein System an, in dem vieles schiefläuft – und das oft völlig legal. An den Missständen sind sowohl Behörden als auch Politiker, Patientenorganisationen, Fachzeitschriften und Ärzte schuld. Problematisch wird es etwa, wenn Zulassungsstellen nicht nach fehlenden Daten fragen oder sogar helfen, der Öffentlichkeit Ergebnisse vorzuenthalten. Oder wenn renommierte Forscher sich von Pharmafirmen dafür bezahlen lassen, in ihren Vorträgen bestimmte Produkte zu empfehlen oder ihren Namen unter vorgefertigte Studien zu setzen.

Der Autor bringt auch konkrete Vorschläge, mit denen man das bestehende System verändern und die Zusammenarbeit von Ärzten, Forschern und Pharmaunternehmen verbessern könnte. Manche seiner Ideen erscheinen idealistisch, viele wären jedoch mit ein wenig gutem Willen durchaus umsetzbar. "Die Pharma-Lüge" ist all jenen zu empfehlen, die wissen möchten, woran das Gesundheitssystem und die Arzneimittelbranche kranken.

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