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Knistern statt Krachen

Woran denken Sie beim Sex? »An nichts Bestimmtes«, antworten wohl die meisten von uns – obwohl genau das Gegenteil der Fall ist: Erwiesenermaßen kreisen die Gedanken beim intimen Stelldichein beispielsweise um den Wunsch nach etwas ganz Neuem, die Erinnerung an die oder den Verflossenen oder auch die plötzliche Einsicht, dass die Gardinen mal wieder gewaschen werden müssten.

Wer solche Gedankenspiele zugibt oder gar seine abenteuerlichsten Wünsche offenbart, beschwört oftmals eine ernste Beziehungskrise herauf. Auch dann, wenn der Partner selbst nicht bei der Sache ist. Denn wir leben zwar in einer Welt, in der fast alles als »normal« durchgeht und sexuelle Fantasien Kreativität bedeuten. Trotzdem laufen offenherzige Menschen Gefahr, bei solchen mentalen Abschweifungen die gemeinsame Intimität und den Respekt zu verlieren.

Das jedenfalls meint David Schnarch. Der klinische Psychologe kümmert sich um Paare mit genau diesem Problem und ist in den USA dank seiner umfangreichen Lehr- und Schreibtätigkeit ein bekannter Paartherapeut. Seiner Ansicht nach entwickelt sich der Mensch in der Liebe permanent weiter – und erlebt sich zunehmend als einzigartig. Schnarch versucht diese »Differenzierung des Selbst in der Intimität« zu fördern. Auf das Stadium, in dem man kopflos in den anderen verschossen sei, folge oft eine diffuse Suche und unerfüllte Sehnsucht. Erst die Erkenntnis, dass dieses Gefühl ganz normal ist und in der Beziehung fortbestehen wird, weckt die Liebe und damit auch die sexuelle Leidenschaft erneut.

Dem Paartherapeuten geht es nicht nur darum, dass seine Klienten wieder sexuell aktiv werden. Denn darin sähe er eine Reduktion auf die reine Funktion des Geschlechtsakts. Er will den Menschen vielmehr Wege aufzeigen, wie sie vertrauensvoll miteinander umgehen können. Dies führe notgedrungen weg von der Vorstellung, dass Hochleistungssex alleinige Bestätigung für die Liebe ist. Erotik ja, es soll wieder knistern – krachen jedoch muss es nicht.

Wichtig dafür ist laut Schnarch in erster Linie persönliche Reife. Wer diese Voraussetzung erfüllt, genieße bis ins hohe Alter guten Sex. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die Partner jedoch auch offen und ehrlich miteinander umgehen. Es dürfe beispielsweise nicht sein, dass sich jemand den Wünschen des anderen anpasst, unterordnet oder sich gar kontrollieren lässt. Es sind also ganz grundlegende Tugenden des Menschen, auf die der Autor setzt.

Seine Ideen und Konzepte hat der Sexualtherapeut Schnarch zwar schon früher publiziert, er wendete sich damals aber vor allem an Fachkollegen. Nun fühlt er sich dem Laien verpflichtet und richtet sein Augenmerk auf die Praxis. Etliche reale oder fiktive Fallbeispiele, in kommentierten Dialogen vorgestellt, verschaffen dem Leser Einblick in die psychologische Arbeit.

Ohne theoretische, vom Autor als Ballast empfundene Erörterungen, helfen sie die unterschiedlichsten Fassetten von Beziehungsproblemen zu durchleuchten. In letzter Konsequenz, so warnt Schnarch seine Leser aber auch, sollten sie nicht ihm, sondern sich selbst vertrauen.

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