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Argumentationshilfen für Darwinianer

Einst verteidigte der britische Biologe Thomas Henry Huxley (1825 – 1895), ein Verfechter der empirischen Wissenschaften, die revolutionäre Evolutionstheorie seines Zeitgenossen Charles Darwin und erwarb sich damit den Ruf als "Darwins Bulldogge". Sein rechtmäßiger Erbe ist heute der britische Zoologe Richard Dawkins – auch als "Darwins Rottweiler" bekannt. Das lässt selbst Laien ahnen, dass es sich hier um einen ebenso bissigen wie streitlustigen Anhänger der Evolutionstheorie handelt, wie seine zahlreichen Aufsätze und Bücher beweisen.

Dawkins ist aber nicht nur bis ins Mark Darwinist. Er ist auch dafür bekannt, wissenschaftliche Forschung populär darzustellen und einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln; diese Kunst lehrte er bis 2008 an der University of Oxford in England. Christentum und Evolution hält er für unvereinbar, Religion ist für ihn ein "Wahn" oder "Virus" und der Glaube an einen Gott mindestens irrational, wenn nicht gefährlich.

Der deutsche Titel seines neuen Buchs lässt die gleiche Stoßrichtung vermuten. Der englische Originaltitel "The Greatest Show On Earth" passt jedoch besser, denn Dawkins schreibt diesmal nicht gegen die Religion an, sondern für die Evolution. Wie ernst es ihm damit ist, veranschaulicht der Autor mit Umfrageergebnissen unter anderem aus Deutschland: 2005 behauptete demnach noch knapp jeder Vierte hier zu Lande, der Mensch hätte sich nicht aus älteren Tierarten entwickelt. Dawkins knöpft sich die so genannten Kreationisten vor, die glauben, der biblische Schöpfungsakt und nicht die natürliche Selektion habe den Menschen hervorgebracht. Gleich auf den ersten Seiten zieht der Provokateur alle Register: Wenn Kreationisten forderten, im Schulunterricht die Evolutionstheorie und den Schöpfungsmythos gleichwertig zu behandeln, sei die Lage des Biologielehrers nicht weniger misslich als die eines Geschichtslehrers, der den Holocaust und seine Leugnung als gleichwertige Theorien darlegen solle. Dieser Vergleich rief schon in den USA öffentliche Empörung hervor und dürfte in Deutschland noch höhere Wellen schlagen.

Dass Darwins Evolutionstheorie längst keine Glaubensfrage mehr ist, demonstriert Dawkins mit einer umfangreichen Sammlung von Belegen aus Geologie, Paläontologie, Genetik, Embryologie und Anatomie. Aktuelle oder strittige Fragen etwa zur Deutung von Fossilien blendet er aber weit gehend aus. So äußert sich Dawkins zum Beispiel nur knapp zur umstrittenen Theorie einer "RNA-Welt": der Annahme, dass sich in der Ursuppe zunächst spontan RNA-Moleküle bildeten, bevor die DNA entstand. Die Frage nach dem Ursprung allen Lebens scheint ihm an dieser Stelle nicht so wichtig zu sein.

Der eigenwillige Evolutionsbiologe tritt diesmal klar hinter seine pädagogischen Ziele zurück. Er präsentiert keine neuen Ideen, sondern argumentiert konventionell und solide. Wenn er Begriffe wie "Theorie" oder "Tatsache" erläutert, verzichtet er erfreulicherweise auch auf wissenschaftstheoretische Diskussionen.

Pluspunkte sammelt er zudem mit seinem schnörkellosen Stil und lebendigen Vergleichen. Wie in früheren Werken schreibt Dawkins klar und anschaulich, auch wenn er diesmal ein bescheideneres Ziel verfolgt: die Anhänger der Evolutionstheorie mit Argumenten zu versorgen.

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  • Quellen
Gehirn&Geist 3/2011

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