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Rundumschau mit Schwächen

Lisa Randall hat offenbar Freude am Schreiben gefunden. 2005 machte sie mit dem Buch "Verborgene Universen" ("Warped Passages") auf sich aufmerksam (Spektrum der Wissenschaft 2/2007, S. 100), zwei Jahre später folgte "There is Another Dimension". Nun legt sie ein neues umfangreiches Werk vor mit dem poetischen Originaltitel "Knocking on Heaven’s Door".

Randall arbeitet als theoretische Phy­sikerin an der Harvard University und befasst sich mit Teilchenphysik, Stringtheorie und Kosmologie. Insbesondere untersucht sie, wie sich das Standardmodell der Teilchenphysik erweitern lässt, um grundlegende Fragen der heutigen Naturwissenschaft zu beantworten: Woher bekommen Elementarteilchen ihre Masse? Warum ist die Gravitation so schwach, verglichen mit den anderen fundamentalen Wechselwirkungen? Woraus besteht Dunkle Materie? Kann die Supersymmetrie helfen, ungelöste Probleme der Teilchenphysik zu überwinden?

Aufsehen erregte Randall vor allem mit ihren Modellen, die zusätzliche räumliche Dimensionen enthalten. Diese blieben uns verborgen, weil sie winzig klein aufgerollt oder verzerrt seien oder weil wir uns auf dreidimensionalen Flächen (so genannten Branen) in einem höherdimensionalen Raum befänden. Lege man solche Annahmen zu Grunde, schreibt sie, ließen sich einige Probleme der Theorie lösen, etwa die rätselhafte Schwäche der Gravitation.

In "Verborgene Universen" hatte sich Randall noch auf die Physik konzentriert, war detailliert auf Modelle und Theorien eingegangen. In ihrem neuen Buch versucht sie sich dagegen an einer Rundumschau. Sie erklärt, warum Naturwissenschaft wichtig ist und wie Forscher denken und arbeiten, sie unternimmt Exkursionen in die Wissenschaftsgeschichte und schildert, wie Physiker zu immer kleineren und auch immer größeren Skalen vorstoßen.

Große Teile des Buchs befassen sich mit dem Large Hadron Collider (LHC) bei Genf, dem leistungsfähigsten Teilchenbeschleuniger der Welt. Randall beschreibt, wie er aufgebaut ist und funktioniert und was Forscher sich von ihm erhoffen: etwa die Entdeckung des Higgs-Bosons, Hinweise auf die Dunkle Materie und Belege für supersymmetrische Teilchen oder zusätzliche Raumdimensionen. Am Ende ­unternimmt sie einen Ausflug in die Kosmologie. Diese Abschnitte sind interessant, aufschlussreich und bieten einen guten Überblick.

Leider muss der Leser sich bis dahin durch mehr als 200 Seiten arbeiten, aus denen nur schwer eine klare Aussage zu extrahieren ist. Randall versucht dort zu erläutern, was die Naturwissenschaft besonders macht, was empirisches Arbeiten auszeichnet und wie es historisch entstanden ist. Dabei mäandert sie – weitschweifig und redundant – zwischen autobiografischen Episoden, geschichtlichen Rückblicken, essayistischen Abschnitten und dem Schildern von Gesprächen und Vorträgen, bei denen sie zugegen war. Streckenweise verfällt das Buch in einen ausgeprägten Nominalstil mit stark verschachteltem Satzbau, der das Verständnis deutlich erschwert – möglicherweise eine Folge der Übersetzung.

In der Gesamtschau ergibt sich der Eindruck eines Buchs, das zwar einen interessanten Kern besitzt, diesen aber hinter einem dicken Wortpolster versteckt.

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 7/2012

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