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Von der grauen Maus zum Hubble-Starfotografen

Die Autoren sind keine Unbekannten im Bereich der Astrofotografie. Bereits 1995 hatte Bernd Koch das "Handbuch der Astrophotographie" (Springer) herausgegeben; 2002 zog Axel Martin mit seiner "Astrofotografie in fünf Schritten" (Oculum) nach. Das beachtliche Niveau dieser Werke zeigte bereits, dass sich der Unterschied zwischen Amateur- und Fachastronomen zunehmend verwischt – auch Letztere kochen nur mit Wasser.

In der Tat, die technischen Mittel sind in beiden Lagern nahezu identisch: CCD-Kameras und digitale Bildbearbeitung. Der Unterschied liegt eher in der Quantität: die Pixelzahlen der CCD-Arrays an Großteleskopen werden wohl so schnell am heimischen Fernrohr nicht erreicht. Interessanterweise sieht man das heutigen "Amateurbildern" kaum an. Hinzu kommt eine neue Geräteklasse, die Jedermann faszinierende Erfolge verspricht: die Digitale Spiegelreflexkamera (DSLR). Damit lassen sich – ohne die lästige Überlagerung von Luminanz- und Farbkanälen (Stichwort L, R, G, B) – mit einem Schuss hochwertige Farbaufnahmen von Himmelsobjekten machen. Viele hat erst diese neue, einigermaßen preiswerte Technik zum Einstieg in die Astrofotografie bewogen.

Die Autoren mussten also ein weites Feld beackern – und sie haben es mit Sorgfalt und großem Sachverstand getan. Man spürt die langjährige Erfahrung. Beide haben offenbar den Wandel vom analogen zum digitalen Astrofoto aktiv miterlebt: von den mühsamen Anfängen mit hypersensibilisiertem Film über die ersten CCD-Kameras (z.B. die legendäre ST-4) bis hin zur modernen DSLR. Heute ist sicher Vieles einfacher – aber auch vielfältiger. Ein gutes Beispiel ist die Bearbeitung der Aufnahmen am Computer. Auch hier sind die Autoren, wie viele andere, in die klassische "Photoshop-Schule" gegangen. Erschienen Galaxien früher auf Amateurbildern nur als unscheinbare "graue Mäuse", so leuchten sie heute in eindrucksvollen Farben und hoher Auflösung – das Hubble Space Telescope (HST) lässt grüßen. Eine moderne CCD-Aufnahme, etwa mit einem 8-Zöller gemacht und mit Standardsoftware digital bearbeitet, ist um Klassen besser als eine analoge mit dem Mt. Palomar 200-Zöller aus den 1960er Jahren (Nostalgiker mögen das anders sehen). Was für ein Fortschritt! Amateur-Astrofotografen arbeiten heute an vorderster Front – die Zeit des Bastelns ist endgültig vorbei. Um "schöne Bilder" zu produzieren, benötigen sie allerdings neueste technische Informationen.

Genau die bietet das Buch von Martin und Koch. Es ist eine Fundgrube, voll mit Tipps und Tricks, Daten und Anwendungsbeispielen. Um es gleich zu sagen: Das großformatige, 368-seitige Werk, angereichert mit vielen Tabellen und Grafiken, ist ein Muss für jeden der sich ernsthaft mit digitaler Astrofotografie befasst beziehungsweise beschäftigen möchte. Ist es demnach auch für Einsteiger geeignet? Schauen wir dazu genauer auf den Inhalt.

Das erste Kapitel behandelt die Kamera und die Grundlagen der Digitalfotografie. Der Leser erfährt alles über "Binning", "Blooming" oder "CMOS-Chips" – leider sind viele Begriffe aus dem Englischen, was sich aufgrund der internationalen Verwendung kaum vermeiden lässt (die deutschen Versionen würden seltsam klingen, etwa "blühende Halbleiterplättchen") . Generell kann ein gewisses physikalisches Grundwissen sicher nicht schaden, um Dinge wie etwa die "Quanteneffizienz" zu verstehen (sinnvoll ist der Glossar im Anhang). Im zweiten Kapitel geht es um die Optik. Neben der Kamera werden vor allem Teleskope besprochen; deren Eigenschaften und Fehler, sowie das nötige Zubehör (Filter, Adapter). Weiter geht es mit der Montierung: vom einfachen Fotostativ, über die Aufstellung von Fernrohren bis hin zu Schutzbauten. In diesen instrumentellen Kapiteln zeigt sich, dass das Buch weit mehr ist als eine bloße Darstellung der Astrofotografie.

Es folgen die zentralen Kapitel über die Bedienung und Anwendung der Kamera (CCD, DSLR). Wer bisher "Dunkelbild" und "Flatfield" noch nicht auseinanderhalten konnte – und insbesondere die Reihenfolge ihrer Anwendung –, wird hier umfassend informiert. Es werden aber auch wichtige Themen wie Fokussierung, Nachführung und Belichtungszeit behandelt. Mein Eindruck: Es fehlt an nichts. Im letzten Sachkapitel geht es um die digitale Bildbearbeitung – letztlich der Schlüssel zum "pretty picture". Der Computer mit seiner Software ist quasi die moderne Hexenküche. Hier wird mit sämtlichen Tricks gearbeitet, schließlich will man nach all der Mühe auch etwas Ordentliches präsentieren. Die Autoren geben all ihr "Geheimwissen" preis!

Was dabei herauskommen kann wird unter "Bildbeispiele" gezeigt. Es enthält eine eindrucksvolle Kollektion von Astroaufnahmen, wobei allerdings – bis auf eine Ausnahme – Standardobjekte präsentiert werden. Das ist auch sinnvoll, denn der Leser soll seine eigenen Bilder damit vergleichen. Die Ausnahme ist nur das berühmte "Hubble Deep Field". Der Vergleich zwischen HST und einem C-14 ist durchaus interessant. Wem dieses Material nicht reicht, der sei auf die beigefügte CD-ROM verwiesen. Sie enthält auch eine Kollektion von Bildbearbeitungsprogrammen (Free-/Shareware).

Fazit: Das Werk ist ein gut geschriebenes Lehrbuch, das man sicher nicht in einem durchliest, sondern immer wieder zu einzelnen Themen zur Hand nimmt. Es fehlt aber leider ein Stichwortverzeichnis. Dennoch ist es sowohl für Einsteiger als auch für Fortgeschrittene geeignet. Ein Problem dürfte allerdings die rasante Entwicklung auf dem Gebiet der digitalen Astrofotografie sein. Diese hat schon einige Bücher schnell "alt aussehen" lassen. Ich denke aber, dass durch die Fülle des Materials, und vor allem die gründliche Darstellung der zeitlosen physikalischen Grundlagen, eine längere Halbwertszeit zu erwarten ist.

Zugegeben, der internationale Konkurrenzkampf unter den Astrofotografen ist groß. Die meisten horten ihre Bilder nicht im Fotoalbum, sondern präsentieren sich stolz im Internet. Bei den Darstellungen wird aber teilweise kräftig manipuliert, wenn dem digitalen "Hexenmeister" wieder mal die Phantasie durchgeht. Früher dachte man, Bilder seien "objektiv", in Zeiten der Bildbearbeitung ist das aber fraglich. Auch hier hilft der Blick ins Lehrbuch – und notfalls die Ehre des Astrofotografen.

Interessanterweise lässt sich auch eine zunehmende Konkurrenz zwischen Amateuren und Fachastronomen feststellen. Hatten sich nämlich Letztere längere Zeit aus der Produktion von "pretty pictures" eher herausgehalten – mit Ausnahme der HST-Bilder –, so entdecken die Profis mittlerweile ein neues Feld. Nahezu ausgemusterte Großteleskope wie das 3,6-Meter-CFHT auf Hawaii werden mit überdimensionalen CCD-Kameras ausgerüstet, um publikumswirksame Bilder zu schießen – dem Steuerzahler muss schließlich Tribut gezollt werden. Wie auch immer, Konkurrenz belebt das Geschäft – und die "Amateure" mischen kräftig mit.

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