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Mondkarten für das 21. Jahrhundert

Ein eindrucksvolles Werk der lunaren Kartografie für den Beobachter präsentiert Ronald Stoyan.
Der Mond in Nahaufnahme

Den Oculum-Verlag und Ronald Stoyan vorzustellen, hieße Eulen nach Athen tragen. Der aktive Sternfreund dankt diesem Verlag, der in etwa das deutsche Pendant zu Willmann-Bell in den USA darstellt, eine Reihe sehr nützlicher und auch fachlich wie ästhetisch ansprechender Publikationen. In meiner eigenen Sternwartenbibliothek habe ich bereits eine stattliche Anzahl von Beobachtungshandbüchern und Kartenmaterial aus dem Programm des Oculum-Verlags, das mir die Arbeit am Teleskop erleichtert, und auch schöne Bildbände. Enttäuscht wurde ich bis jetzt nie, so auch diesmal nicht.

Einen »Next Generation Lunar Atlas« auf Basis der Fotos des Lunar Reconnaissance Orbiter LRO der NASA hatte ich mir schon lange gewünscht, hat doch die heutige Digitalfotografie dem Amateur Mittel an die Hand gegeben, für die das Standardwerk des 20. Jahrhunderts, Antonin Rükls gezeichneter Mondatlas, nicht mehr ausreicht. Wie der Name Duplex Atlas schon sagt, ist das neue Kartenwerk auf laminiertem Papier gedruckt und spiralgebunden, um direkt am Fernrohr verwendet werden zu können und dabei nicht kaputtzugehen. Wir Amateure sind wie kleine Kinder: Zwar lutschen wir für gewöhnlich die Seiten nicht ab oder zerreißen diese mit einer gewissen Absicht, doch wir benutzen unsere Handbücher gerne einmal im Freien und setzen sie damit Schmutz und Feuchtigkeit aus. Also muss man solche Bücher vor ihren Lesern irgendwie schützen. Die Lösung des Oculum-Verlags, die Seiten dick zu machen, zu laminieren und über Spiralen ganz öffnen und umschlagen zu können, also eben die Kleinkinderbuchlösung, ist dankenswert.

Der Atlas besteht aus je 38 Kartenblättern im Format DIN A4, einmal mit Süden oben und astronautisch Osten rechts – also dem Anblick auf der Nordhalbkugel mit umkehrendem Fernrohr entsprechend –, und einmal ebenso, aber mit Norden oben – für spiegelverkehrt abbildende Systeme.

Für meinen Geschmack hätte man die Kartenblätter heller reproduzieren können, das würde die Benutzung am Teleskop, besonders im Licht einer Taschenlampe, erleichtern und auch ein realistischeres Abbild der im Teleskop hell strahlenden Mondlandschaften ergeben. Obwohl man in der Mondfotografie im Zweifelsfall lieber dunkler reproduziert, um das Ausbrennen heller Kraterwälle zu verhindern, bringt das oftmals mehr Nach- als Vorteile mit sich, besonders hier, wo man wirklich starkes Licht benötigt, um alle Feinheiten, die der hoch aufgelöste Atlas bietet, sehen zu können, vor allem in den dunklen Mare-Gebieten.

Vor vielen Jahren hatte ich einmal kleines Bändchen aus dem frühen 19. Jahrhundert durchgeblättert, das mit Kupferstichen illustriert war. Wie schade, dachte ich damals, dass die Stiche so klein sind. Aus Neugierde nahm ich ein Fotoobjektiv und drehte es um, um eine starke Lupe zu haben. Wie staunte ich da, als ich auf einmal im Inneren der abgebildeten Kutschen, die klein im Vordergrund des Landschaftsbildes dargestellt waren, auf einmal Männlein und Weiblein sah, wie sie sich angeregt unterhielten. Legte ich die Lupe ab, war das alles verschwunden, auch mit größter Anstrengung nicht zu sehen. Ich versuchte nun das Gleiche mit dem Duplex Atlas, denn die Druckvorlagen haben eine Auflösung von 145 Metern pro Pixel, wie in der Einleitung zu lesen ist. Doch leider ist auch moderner Druck ganz offensichtlich kein Ersatz für eine fein gravierte Kupfer- oder Stahlplatte: Betrachtet man die Kartenblätter unter einer starken Lupe, erscheint statt Kleinstkratergewimmel ein mit freiem Auge unsichtbares Druckraster. Und da bin ich schon genau bei dem Punkt, wo ich mich freuen würde, wenn die geneigte Leserin und der geneigte Leser dieser Zeilen mich bei einer Anregung für den Oculum-Verlag unterstützte: Der Duplex Atlas erfüllt zweifellos seinen angestrebten Zweck, ist handlich und für den visuell arbeitenden Amateur mehr als ausreichend; die Fülle der Einzelheiten macht ihn zu einem wahren Wimmelbuch. Aber ist es nicht schade, die tolle Auflösung der Druckvorlagen nicht besser auszunutzen? Wäre es nicht schön, wenn der Oculum-Verlag eine zweite Ausgabe im DIN-A3-Format herausbrächte? Sollte man nicht vielleicht auch die Beschriftung auf transparente Deckblätter auslagern, damit die Buchstaben auf den Fotokarten nicht zusätzlich zu den beschatteten Bereichen noch etwas verdecken? Für den Vergleich mit hochauflösenden Fotos, die der Amateur heute erzielen kann, wäre mit einer heller reproduzierten, großformatigen Ausgabe eine sehr wichtige Marktlücke gefüllt. Bis dahin aber bleibt der Duplex Atlas das beste Kartenwerk für den Mondbeobachter, das es auf dem Markt gibt.

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