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Präzisionskosmologie

Lew Landau, der wichtige Beiträge zur theoretischen Physik geleistet hat, sagte einst über Kosmologen: "Cosmologists are often in error, but never in doubt" ("Kosmologen irren oft, aber zweifeln nie"). Vor etwa fünfzig Jahren war Landau mit dieser Meinung nicht allein: Der Hubble-Parameter H0, der die Ausdehnungsrate des Universums angibt, war mit riesigen Fehlerbalken versehen; Größe, Alter und Inhalt des Universums waren großteils unbekannt und unterlagen den Fluktuationen der theoretischen Modelle.

Seit dieser Zeit hat die Kosmologie einen unvergleichlichen Siegeszug hingelegt. Unser Verständnis des Universums ist heute auf einem so fortgeschrittenen Niveau angekommen, dass manche bereits von Präzisionskosmologie sprechen: Dank Hubble Key Project, WMAP5 und anderen Messungen sind die kosmologischen Parameter wie Alter, Inhalt oder Entwicklung des Universums (und einige andere, weniger leicht verständliche) so genau bekannt, dass die Ungenauigkeiten zum Teil im Prozentbereich rangieren.

Liddle fängt in seinem Buch mit den grundlegenden Beobachtungen an. Kompliziertere Rechnungen und Konzepte sind in einen sehr umfangreichen Anhang für Fortgeschrittene ausgelagert, der mit 56 Seiten mehr als ein Viertel des Buchumfangs ausmacht. Die Aufteilung ist gut nachvollziehbar und erscheint sinnvoll, zumal viele Querverweise zwischen der einfacheren und der fortgeschrittenen Einführung die Zusammenhänge verdeutlichen und Lust machen, mehr zu erfahren. Der Nachteil dieser Aufteilung ist, dass viele moderne Konzepte erst im Anhang diskutiert werden und in der Einleitung teilweise zu wenig darauf eingegangen wird. So werden der Strukturbildung im Universum zwar 16 Seiten im Anhang gewidmet, im vorderen Teil wird aber etwa die kosmische Hintergrundstrahlung nur sehr allgemein eingeführt und die Diskussion über die "vor kurzem" (1992) entdeckten Inhomogenitäten, die heute eine der wichtigsten Säulen des Urknallmodells sind, auf die hinteren Seiten verlagert. Wer den Anhang versäumt, läuft damit Gefahr, ein falsches Bild über den aktuellen Stand der Kosmologie zu erhalten.

Fast jeder Abschnitt wird mit einer Reihe von Aufgaben abgeschlossen, in denen oft Gleichungen hergeleitet werden sollen, die im Text diskutiert wurden. Es sind aber auch Fragen dabei, die man entweder im Kopf per Dimensionsanalyse oder auf dem berüchtigten Briefumschlag lösen kann und die einem einen Eindruck von grundlegenden Zusammenhängen und Größenordnungen vermitteln sollen. Die Aufgaben und Fragen sind dem Niveau der Kapitel gut angepasst und erscheinen sinnvoll. Der Lösungsteil im Anhang ist allerdings noch verbesserungsfähig: Während der Umfang der Hilfestellung für die meisten Aufgaben gut ist, gibt es auf manche nicht triviale Fragen keine oder nur sehr kurze Hinweise.

Das Buch ist eine Übersetzung der 2009 überarbeiteten zweiten englischen Originalausgabe. Die Übersetzung ist insgesamt sehr gut, ein Vorzeichenfehler hat sich jedoch in alle friedmannschen Beschleunigungsgleichungen eingeschlichen. Dazu führt der Autor allerdings wie im Vorwort versprochen auf seiner Homepage eine Liste mit allen bekannten Fehlern – auch der deutschen Ausgabe.

Insgesamt überzeugt das Buch durch didaktisches Geschick und eine treffende Auswahl aktueller kosmologischer Themen – sofern man den Anhang nicht übersieht. Wer auf der Suche ist nach einer knappen Einführung in die moderne Kosmologie, findet in diesem günstigen Lehrbuch eine sehr wertvolle Hilfe.

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  • Quellen
Sterne und Weltraum 12/2009

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